Liebe in Zeiten von Corona – Folge #3 PS. Ich liebe euch

Liebe in Zeiten von Corona – Folge #3 PS. Ich liebe euch

Folge #3
 PS: Ich liebe euch

- Marie

In Zeiten, in denen sich Menschen freiwillig oder unfreiwillig nicht treffen können, entsteht eine der wunderbarsten Arten der Literatur:  der Briefwechsel. Viele dieser Briefwechsel erscheinen Jahre, manchmal Jahrzehnte später als Sammlung und lassen andere Menschen die Liebe, die Verbindung, aber auch die unendliche Sehnsucht zwischen den Autoren*innen nachempfinden. Auch noch Generationen später.

In dieser Zeit, in der Distanz zwischen Menschen das Gebot der Stunde ist, habe ich das Glück mit meinem Liebsten unter einem Dach zu leben. Zwischen uns gehen daher weniger herzzerreißende Liebesbriefe, als viel mehr Einkaufslisten, Bürounterlagen und maximal ein “Ich liebe dich”-Post-it hin und her. Auch das bietet natürlich Stoff für eine Geschichte, aber sicherlich nicht für den großen Sehnsuchtsroman. 

Es gibt allerdings jemanden, den ich aktuell schmerzlich vermisse. Sogar eine ganze Gruppe von Menschen. Es sind meine Freundinnen. Daher möchte ich ihnen die folgende Liebeserklärung widmen:


Lieblingsmenschen, 

schon ohne Corona lebt ihr leider alle viel zu weit verstreut, als dass ich euch am besten täglich bei mir auf dem Sofa (wahlweise auch der Terasse) zum Tee oder Weinschorle trinken versammeln könnte. Aber jetzt kann ich euch nicht mal mehr besuchen oder ihr mich. Auch einen Ausflug in die Brandenburger Einöde mussten wir der Krise opfern und von Galão und Pastéis de Nata in den Gassen von Lissabon können wir gerade nur träumen. Wir holen das nach. Versprochen. Und dann mit einer Flasche Sekt mindestens so groß wie ich. 

Mir fehlt euer Lachen. Mir fehlt euer Schweigen. Mir fehlt das Knautschen und das Hände halten. Mir fehlt es mit euch die Hüften kreisen zu lassen, das Tanzbein zu schwingen und bei fast noch zu kühlen Temperaturen die Nase und den Bauch in die Sonne zu halten. 

Dank Skype und Telegram muss ich zum Glück in dieser Zeit nicht auch noch auf eure Stimmen, das gegenseitige Zuhören und euren Rat verzichten. Noch lieber würde ich mir diesen allerdings direkt bei euch abholen - eingekuschelt im Bett oder bei einer Wanderung durch die Natur. 

Ihr seid schon eine ganze Weile meine Weggefährtinnen und wir haben schon ganz andere Zeiten durchgestanden, da wurde Corona noch mit Limette serviert und nicht mit Rachenabstrich. Ihr wart immer an meiner Seite, ob bei Körperkrisen, Prüfungsstress, Herzschmerz oder, um mir Essensreste oder überschüssige Sonnencreme aus dem Gesicht zu wischen. Und ihr habt auch meine Glücksmomente mit mir geteilt: von frisch verliebt bis frisch vermählt war alles dabei. 

Danke für jeden einzelnen Moment.

Wenn ich gerne jemanden in meinem Quarantäne-Team hätte, dann wärt das ihr! Bleibt bitte gesund bis wir uns bald wieder in den Armen liegen können. 

Marie 

PS: Ich liebe euch!

Wir bleiben zuhause...

...mit anderen Menschen oder  auch allein. Was macht das mit uns? Mit unserer Liebe, unseren Beziehungen, unseren Freundschaften?  Wie steht es um Sex in Quarantäne, Dating auf Distanz, Flirten nur noch digital? Absofort jeden Abend Dinner for One oder nur noch Pärchenabend?

Wir - Cosima und Marie - schreiben unter dem Titel “Liebe in Zeiten von Corona” darüber, was wir und andere durch Quarantäne, Kontaktbeschränkung und Social Distancing mit Partner*innen, Familie, Freunden*innen, Affären, Liebhaber*innen und Flirts erleben. Wir wollen über die Herausforderungen reflektieren, Sehnsüchte erkunden, Sorgen teilen, Momente der Isolationsromantik feiern und am Ende auch ein bisschen über uns und den ganz normalen Alltagswahnsinn lachen. 

Die Kolumne erscheint jede Woche Mittwoch und Sonntag auf cusilife.

 
 

Cosima studiert Philosophie und schreibt auf ihrem Blog cusillife über (Selbst-)Liebe und Polyamorie. Marie ist Psychologin und arbeitet als freiberufliche Prozessbegleiterin und Organisationsentwicklerin. Trotz ihrer 5,5 Jahre Altersunterschied haben sie sich früher als Zwillinge in Clubs rein geschmuggelt. Jetzt schreiben sie gemeinsam über die Liebe in Zeiten von Corona.

Warum ich dich nicht brauche, um mir zu verzeihen?

Warum ich dich nicht brauche, um mir zu verzeihen?

 barbie-freundinnen

 

Ich rufe dich an, ich schreibe dir Nachrichten und
manchmal denke ich an dich ohne dass du es weißt.

 

Wenn ich über uns nach denke, sage ich, ich hab los gelassen, aber wenn ich mich beim reden beobachte und meinen Körper fühle, dann weiß ich das ist gelogen.

 

Es ist ein Wunsch.

 

Ich will endlich die Vergangenheit gut sein lassen, ich will weiter gehen.

Ich will uns abschließen. Lange Zeit dachte ich, dass geht nur mit dir gemeinsam.
Ich dachte, ich muss dich sehen, mit dir sprechen, dir meine verdrängte Wut und Trauer um die Ohren hauen, um dich im nächsten Moment, um deine vertraute Schulter zu bitten.

 

Jetzt weiß ich, ich kann mir und dir verzeihen.
Ich kann alles loslassen im Guten ohne dich.
Ich habe die Macht darüber.

 

Es wäre schön und hilfreich dich zu Treffen. Ich würde Fragen stellen, ich würde Träne weinen, die damals nicht gesehen wurden. Ich würde dir nochmal die Liebe schenken, die ich fühle, wenn ich an uns denke.

 

Diese Bitterkeit, die ich empfinde,
vergiftet meine Erinnerung an uns.

 

Was haben wir gelacht, geteilt, geredet. Nächte lang Geheimnisse erzählt, unsere Zukunft ausgemalt, Zettel im Unterricht geschrieben, Gute Nacht SMS und Karten aus jedem Urlaub geschickt.

 

 

Ich bin eifersüchtig, weil du mit anderen Menschen Kontakt hältst, obwohl ich weiß, dass uns nicht mehr viel verbindet. Ich bin gekränkt, weil du mich nicht mehr zu deinem Geburtstag einlädtst. Wieso auch? Wir reden nicht mehr  mit einander.

Wenn ich jetzt an uns denke, kann ich den Gedanken nicht unterdrücken, dass ich glaube du hasst mich. Deine Familie hasst mich. Ich fühle mich auf der Richterbank ohne Möglichkeit in den Zeugenstand zu treten.

 

Ich will schreien, dass ich dich geliebt habe,
dass das hier ungerecht ist,
dass du mit mir reden und mir vergeben musst.

Aber nein, das musst du nicht.
Das weiß ich jetzt und ich akzeptiere es.

 

Ich vergebe mir und dir.

 

Für alles, was wir getan und gesagt haben, was Schmerz ausgelöst hat.

Ich habe gelernt und viel für meinen Weg mit genommen.

 

Ich wünschte mir nicht es wäre anders,
denn dieses Loslassen ist wichtig für mich.

Insgeheim weiß ich, dass diese Bitterkeit nur in meinem Kopf und Herzen ist.
Sie ist nicht zwischen uns. Ich wollte dir die Schuld dafür geben, dass ich mir nicht vergeben konnte.
Wenn ich dir jetzt eine Nachricht schreibe, dann ganz selbstlos. Es ist nicht wichtig ob du antwortest. Wenn ich etwas sehe, was mich an dich erinnert und ich es dir mitteilen will, dann mache ich das.
Wenn ich jetzt von dir rede, lächle ich, ich bedanke mich bei mir selbst. Ich sehe den langen Weg, den ich gegangen bin, um an diesen Punkt zu kommen. Ein kleiner Teil von mir wünscht sich dir  meine Gedanken dazu zu offenbaren, unter der Decke mit Taschenlampe, so wie früher. Doch die Bitterkeit ist weg und ich kann wieder atmen.

 

 

____
Vielleicht denkst du, dass es sich hier um das Ende einer romantischen Beziehung handelt.
Es ist die Geschichte von mir und meiner besten Freundin während der Schulzeit. Schon während des letzten Schuljahres haben wir uns immer weiter von einander entfernt. Danach hatten wir immer mal wieder Phasen mit gutem Kontakt. Ich habe jedoch gemerkt, wie viel ungesagtes und ungeklärtes zwischen uns steht. Ich hab mich immer wieder unverstanden gefühlt.
Ich wünsche mir, dass es ihr gut geht. Ich wünsche mir, dass sie auch los lassen kann. Vielleicht hat sie das schon längst.

 

Ich fühle mich erleichtert. Als hätte ich viele kleine Steine in meinem Rucksack gefunden, und sie nach und nach abgeworfen. Es tut gut ehrlich zu sein.

 

Das braucht Zeit und Empathie dir selbst gegenüber.
Es ist ok wütend und traurig zu sein.

Du kannst loslassen. 

 

… was für ein persönlicher Text. Ein wenig zittrig hat meine Hand auf ‚Veröffentlichen‘ geklickt.
Danke, dass du dir die Zeit genommen hast, meine Gedanken und Gefühle zu lesen.

Hast du dich wieder gefunden? Kennst du ähnliche Situationen?
Schreibe mir gerne was du denkst.

 

Cosima