Folge #4 - Dating auf Distanz

 - Cosima

Als ich mit meiner WG beschlossen habe, dass wir uns Isolieren, habe ich mich gefragt, was das mit dem sozialen Wesen in mir macht, dem Wesen, das es liebt zu kuscheln, gerne Sex hat, flirtet, mit anderen Menschen Hand in Hand in der Sonne spaziert. Ich erinnere mich an die Worte einer Freundin: "Ja, war schon erst komisch, aber klappte überraschend schnell." 

Vor ein paar Jahren hatte sie ein Auslandssemester in England gemacht. Also: Fernbeziehung für 4 Monate mit ihrem damaligen Freund. Und das hieß auch: Skype Sex ausprobieren. Die beiden haben schnell ihre Freude daran gefunden und so die 4 Monate gut überstanden. 

Bis dato, habe ich alle visuelle Sexyness auf Screens eher gemieden. Ich steh nicht besonders auf Pornos und auch Videosex war nicht auf meiner “to try-list”.

Aber da wir ja jetzt quasi alle Fernbeziehungen,Fernfreundschaften oder Fernaffären haben, müssen Onlineräume auch für gemeinsames Abendessen, Sektfrühstück, Serien glotzen oder eben Sex herhalten.

Zum Beispiel bin ich in einer Telegramgruppe, von Menschen, die sich kennen, mögen und vor allem vertrauen. Die Gruppe ist speziell für Nudes, also Selfies mit möglichst viel Haut, Sexyness, mal süß, sinnlich oder eher witzig. Die letzten Wochen war die Gruppe etwas eingeschlafen. Nachdem klar war, dass wir uns alle erstmal nicht mehr sehen können, stieg der Nudetraffic radikal an! Und wenn ich mehrere Tage die Gruppe nicht öffne, gibt es über 100 Nachrichten. Seit der Quarantäne wurde der Hashtag #replicatethenude eingeführt. Weil wir fast alle zuhause sitzen und mal mehr mal weniger gelangweilt sind, kann man ein Selfie von sich schicken und andere mit dem Hashtag auffordern es so gut es geht nachzustellen. Dabei sind schon mehrere witzige und ziemlich heiße Fotostrecken entstanden. 

Die Gruppe ist toll. Doch ich habe mich auch gefragt, wie ich mit einzelnen Menschen intim und verbunden sein kann in dieser Zeit. 

Meine Liebhaber*innen und ich sind schnell kreativ und mutig geworden und haben uns für Videodates verabredet. Mal mit sexy, mal ohne.  Mal ein paar Tage vorher geplant, mal spontan, mal mit einer Person auf der anderen Seite, mal mit mehreren.Wie vor einem analogen Date war ich jedes Mal ein bisschen aufgeregt und Vorfreude hat sich breit gemacht. 

Wie wird es ablaufen? 

Hält die Internetverbindung? 

Und werde ich den Körper der anderen Person nicht noch viel mehr vermissen?

Ich war überrascht, wie schön und intim sich ein Videodate anfühlen kann. Nicht das tun zu können, was man normalerweise machen würde, macht Platz für Neues. Man kann nicht einfach zusammen Essen gehen, im gleichen Bett liegen und den Sex haben, den man sonst miteinander hätte. 


Technik kann für vieles herhalten. Es geht, es ist aufregend, es ist neu.
Der Fantasie sind auch hier eigentlich keine Grenzen gesetzt.  
Aber einfach nur Kuscheln ist mit dem Laptop wirklich nicht das Gleiche. 


Die Sehnsucht nach der Haut, dem Geruch, der Berührung, dem Kichern und dem Stöhnen der anderen Person bleibt. Die Sehnsucht nach den Küssen, der Körperwärme, dem Kopfkraueln. Die Sehnsucht nach dem einfach nur nebeneinander liegen. 

Was bleibt ist, die Sehnsucht selbst zu umarmen, weil wir uns grad nicht umarmen können.

Wir bleiben zuhause...

...mit anderen Menschen oder  auch allein. Was macht das mit uns? Mit unserer Liebe, unseren Beziehungen, unseren Freundschaften?  Wie steht es um Sex in Quarantäne, Dating auf Distanz, Flirten nur noch digital? Absofort jeden Abend Dinner for One oder nur noch Pärchenabend?

Wir - Cosima und Marie - schreiben unter dem Titel “Liebe in Zeiten von Corona” darüber, was wir und andere durch Quarantäne, Kontaktbeschränkung und Social Distancing mit Partner*innen, Familie, Freunden*innen, Affären, Liebhaber*innen und Flirts erleben. Wir wollen über die Herausforderungen reflektieren, Sehnsüchte erkunden, Sorgen teilen, Momente der Isolationsromantik feiern und am Ende auch ein bisschen über uns und den ganz normalen Alltagswahnsinn lachen. 

Die Kolumne erscheint jede Woche Mittwoch und Sonntag auf cusilife.

 
 

Cosima studiert Philosophie und schreibt auf ihrem Blog cusillife über (Selbst-)Liebe und Polyamorie. Marie ist Psychologin und arbeitet als freiberufliche Prozessbegleiterin und Organisationsentwicklerin. Trotz ihrer 5,5 Jahre Altersunterschied haben sie sich früher als Zwillinge in Clubs rein geschmuggelt. Jetzt schreiben sie gemeinsam über die Liebe in Zeiten von Corona.


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