Folge #4,5: Von der Liebe zum Gedicht

- HS , von uns auch Papa genannt

 

Geneigter Leser, geneigte Leserin,

mit dieser Anrede sind gleich zwei Punkte verraten:

Erstens, hier schreibt ein Gast auf der Kolumne der zwei Schwestern Marie & Cosima

und zweitens, der Schreiber ist ziemlich alt (modisch) ...

Was ist mein Anliegen?

In dieser Kolumne geht es ja um "Die  Liebe in Zeiten von Corona". Das Wort "Liebe" ist nun ein überaus weites Feld. Ich möchte heute jenen Teil Ihrer Zuneigung ansprechen, der Sie - wieder oder ganz neu - zum Lesen von Gedichten ermutigt.

Die Dichter und Dichterinnen halten in den Gedichten viel Trost und Lebensweisheiten für uns bereit.

Ein Beispiel, das Gedicht "Beherzigen" von Johann Wolfgang von Goethe:


Ach, was soll der Mensch verlangen?
Ist es besser, ruhig bleiben,
klammernd fest sich anzuhangen?
Ist es besser, sich zu treiben?

Soll er sich ein Häuschen bauen?
Soll er unter Zelten leben?
Soll er auf die Felsen trauen?
Selbst die festen Felsen beben.
Eines schickt sich nicht für alle
Sehe jeder, wie er's treibe
Sehe jeder, wo er bleibe,
Und wer steht, daß er nicht falle!



Am besten ist es, man liest Gedichte laut.

Noch besser: Sie lesen es Ihrer Liebsten oder Ihrem Liebsten vor,

zum Beispiel das Gedicht "Sehnsucht" von Joseph von Eichendorff. 

Die ersten Zeilen lauten:

Es schienen so golden die Sterne,
Am Fenster ich einsam stand
Und hörte aus weiter Ferne
Ein Posthorn im stillen Land.
Das Herz mir im Leibe entbrennte,
Da hab` ich mir heimlich gedacht:
Ach, wer da mitreisen könnte
In der prächtigen Sommernacht.

Was ich noch ans Herz legen möchte sind passend zum Thema der Kolumne zwei Liebesgedichte: "Freudvoll und leidvoll" von Johann Wolfgang von Goethe und "Erinnerungen an die Marie A." von Bertolt Brecht.

Gehen Sie auf Entdeckungsreise und finden Sie Ihr Lieblingsgedicht!

Zum Schluss möchte ich noch an Friedrich Hölderlin erinnern, der 2020 zum 250. Geburtstag geehrt wird. In seinem Gedicht "Patmos" dichtet er:

Wo aber Gefahr ist, wächst
Das Rettende auch.

Also:  Kopf hoch!

HS                    


Wir drei teilen die Liebe zu Gedichten. Am Frühstückstisch oder an Geburtstagen werden gerne ein paar Zeilen zum Besten gegeben.  Verbunden sein über Worte und manchmal andere sprechen lassen, wenn einem selbst die Worte fehlen.

Drei weitere Gedichte von drei Frauen:

"Wirst du..." - von Stefanie-Lahya Aukongo

Wirst du mit mir Murmeln sortieren
auf dem Boden meiner Seele?
Wirst du mich halten,
wenn ich nachts meinen eigenen Namen nicht mehr kenne?
Wirst du für mich die Geister wegscheuchen und 
gemeinsam mit mir den Stimmen in meinem Kopf antworten?
Wirst du, wenn meine Blume eines Tages blüht
und der Stil Stacheln trägt, 

wirst du sie gießen?

ja
nein
vielleicht


"Schöner Mensch" - von Cosima  

Schöner Mann.
Schöner Mensch. 
Zusammen versinken, 
ineinander.
Ich stelle mir deine Haut vor.
So weich, so lustvoll.
Sie hält dich zusammen.
Wir berühren uns, 
verführen und entführen
uns.
Sich eineinander,
füreinander öffnen.
Mein Körper riecht nacht dir
und 
wünscht sich 
du wärst noch hier.


“Von der Liebe, die da ist” - von Marie

Gerade lese ich viel
von der Liebe,
die fehlt,
die weit weg ist,
die herbeigesehnt wird,
die unerreichbar scheint.
Und doch ist sie da,
die Liebe.
Sie ist da,
wenn wir gemeinsam lachen,
wenn wir gemeinsam weinen,
gemeinsam verzweifeln,
gemeinsam loslassen. 
Die Liebe ist da,
wenn ich mir Zeit nehme,
zu atmen,
zu laufen,
zu schreiben,
zu sein. 
Die Liebe ist da,
wenn ich zurück schaue
und wenn ich voraus blicke.
Sie ist da
in diesem Moment.
Und im nächsten. 
Die Liebe ist da,
wenn wir gemeinsam anpacken,
aufstehen
und losgehen.
Sie ist da,
wenn wir gemeinsam schweigen,
aufschreien
und einstimmen. 
Die Liebe ist da, wo wir sind.
Sie ist da.

Wir bleiben zuhause...

...mit anderen Menschen oder  auch allein. Was macht das mit uns? Mit unserer Liebe, unseren Beziehungen, unseren Freundschaften?  Wie steht es um Sex in Quarantäne, Dating auf Distanz, Flirten nur noch digital? Absofort jeden Abend Dinner for One oder nur noch Pärchenabend?

Wir - Cosima und Marie - schreiben unter dem Titel “Liebe in Zeiten von Corona” darüber, was wir und andere durch Quarantäne, Kontaktbeschränkung und Social Distancing mit Partner*innen, Familie, Freunden*innen, Affären, Liebhaber*innen und Flirts erleben. Wir wollen über die Herausforderungen reflektieren, Sehnsüchte erkunden, Sorgen teilen, Momente der Isolationsromantik feiern und am Ende auch ein bisschen über uns und den ganz normalen Alltagswahnsinn lachen. 

Die Kolumne erscheint jede Woche Mittwoch und Sonntag auf cusilife.

 
 

Cosima studiert Philosophie und schreibt auf ihrem Blog cusillife über (Selbst-)Liebe und Polyamorie. Marie ist Psychologin und arbeitet als freiberufliche Prozessbegleiterin und Organisationsentwicklerin. Trotz ihrer 5,5 Jahre Altersunterschied haben sie sich früher als Zwillinge in Clubs rein geschmuggelt. Jetzt schreiben sie gemeinsam über die Liebe in Zeiten von Corona.


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