Liebe in Zeiten von Corona – Folge #8 Feierwut

Liebe in Zeiten von Corona – Folge #8 Feierwut

Folge#8 - Feierwut

- Marie 


Bars?

Geschlossen.

Clubs?

Geschlossen.

Festivals?

Abgesagt.

Privat Party?

Verboten.


Statt Liebe gibt es heute Wut.

 

Feierwut. 

Und Wut übers Nicht-Feiern. 

Denn Corona ist eine echte Spielverderberin.

Mittlerweile sehne ich mich fast täglich danach mit nackten Füßen irgendwo im Sand zu tanzen. Mir die Seele vom Bass massieren zu lassen und  dabei Menschen um mich zu haben, die weniger als 1,5 Meter von mir entfernt sind.

Selbst durch eine verschwitzte Menge im Club gedrücken zu werden, scheint mir mittlerweile kein notwendiges Übel mehr, sondern eine erstrebenswerte Zukunft.

Dazu gehört auch: Andere Menschen beim Tanzen an sich spüren, eng gedrängt an einer Bar stehen, jemanden an den Händen nehmen, um sich nicht zu verlieren oder ein ruhigeres Plätzchen zu finden. 

Selbst wenn der Schichtbetrieb in den Schulen irgendwann reibungslos funktioniert, der Clubbetrieb wird wohl noch eine ganze Weile auf sich warten lassen, denn ich bezweifle, dass sich demnächst eine Politikerin vor das Mikro stellt und sagt:

“Geht euch durchseuchen, Kinder! Feiert, tanzt und reibt euch aneinander.”

Ich lebe nicht allein und durch meine Hausgemeinschaft leide ich weniger an der Isolation. Die letzten Wochen waren für mein Quaranteam extrem verbindend. Die fleißigen Arbeiterbienen sind normalerweise früh morgens aus dem Stock geflogen. Jetzt sitzten wir alle im Zwangshomeoffice, aber wir haben mehr Zeit füreinander. Für Kaffeepausen und Feierabendbiere im gemeinsamen Garten statt unterwegs zwischen Potsdam und Berlin. Mehr Zeit gemeinsam den Garten schön zu machen und dem Titelbild der “Landlust” anzugleichen. Mehr Zeit füreinander zu kochen und uns zu neuen kulinarischen Höhen aufzuschwingen. Mehr Zeit für Gespräche und Themen, die im Alltag oft keinen Platz finden. Mehr Zeit zu merken, wie gern wir uns haben und wie wichtig wir uns sind. 

Wir haben uns die Zeit wirklich so gut es geht schön gemacht und bereits jetzt trage ich viele berührende Erinnerungen daran in mir. 

Was mir fehlt sind die Auswege. 

Das auch mal nicht hier sein können.

So sehr ich die Häuslichkeit der letzten Wochen auch genießen konnte.

Ich möchte mal wieder rauskommen.

Weg sein.

Um mich dann wieder auf zuhause freuen zu können.

Ob nach einer mehrtägigen Realitätsflucht auf einem Festival oder eine durchfeierten Nacht. Ich habe Menschen um mich und trotzdem sehne ich mich nach Menschenmassen.

 

Ich sehne mich nach Entgrenzung.
Ich möchte mich auflösen - in den Lichtern, der Musik und den vielen Menschen um mich. Zumindest für den Moment.


Bei aller Kreativität rundum Online-Pubquiz, digitale Dance Sessions und DJ-Sets per Livestream habe ich noch keine Corona-sichere Variante gefunden genau diese unbeschwerte Losgelöstheit zu finden. 

Es bleibt das Hoffen. 

Hoffen auf eine Zukunft in der wir uns wieder unbeschwert bewegen können.

Auf der Tanzfläche und durch die Welt.

Wir bleiben zuhause...

...mit anderen Menschen oder  auch allein. Was macht das mit uns? Mit unserer Liebe, unseren Beziehungen, unseren Freundschaften?  Wie steht es um Sex in Quarantäne, Dating auf Distanz, Flirten nur noch digital? Absofort jeden Abend Dinner for One oder nur noch Pärchenabend?

Wir - Cosima und Marie - schreiben unter dem Titel “Liebe in Zeiten von Corona” darüber, was wir und andere durch Quarantäne, Kontaktbeschränkung und Social Distancing mit Partner*innen, Familie, Freunden*innen, Affären, Liebhaber*innen und Flirts erleben. Wir wollen über die Herausforderungen reflektieren, Sehnsüchte erkunden, Sorgen teilen, Momente der Isolationsromantik feiern und am Ende auch ein bisschen über uns und den ganz normalen Alltagswahnsinn lachen. 

Die Kolumne erscheint jede Woche Mittwoch und Sonntag auf cusilife.

 
 

Cosima studiert Philosophie und schreibt auf ihrem Blog cusillife über (Selbst-)Liebe und Polyamorie. Marie ist Psychologin und arbeitet als freiberufliche Prozessbegleiterin und Organisationsentwicklerin. Trotz ihrer 5,5 Jahre Altersunterschied haben sie sich früher als Zwillinge in Clubs rein geschmuggelt. Jetzt schreiben sie gemeinsam über die Liebe in Zeiten von Corona.

Liebe in Zeiten von Corona – Folge#6 Eine neue Art mich selbst zu lieben

Liebe in Zeiten von Corona – Folge#6 Eine neue Art mich selbst zu lieben

Folge #6 - Eine neue Art mich selbst zu lieben

- Marie

 

Die schwierigste Beziehung, die ich gerade führe, ist wohl die zu mir selbst. Ehrlicherweise ist sie das eigentlich immer. Aber Corona stellt auch diese Beziehung - wie auch die zu andere Menschen-  auf eine ganz neue Probe. 

Zu Beginn der Krise wurden alle meine Aufträge abgesagt oder in eine unbekannt weit entfernte Zukunft verschoben.


Während ich Mitte März an einem Donnerstag und Freitag noch einen Workshop gegeben habe, den niemand auch nur ansatzweise in Frage gestellt hat, stand ich am darauffolgenden Montag komplett ohne Arbeit dar. 


Dass mir meine Arbeit wichtig ist und mich mit Sinn erfüllt, wusste ich bereits. Aber in diesem Moment habe ich wirklich zum ersten Mal gemerkt, wie sehr ich mich selbst über meine Arbeit definiere, was für einen großen Teil meiner Identität und meines Selbstwert dieser Teil in meinem Leben ausmacht.

Um mich herum schienen viele Menschen die Zwangsentschleunigung zu genießen. 

Aufatmen, da der Druck wegfällt, überfall dabei sein zu müssen.

Sich freuen, endlich im Homeoffice zu arbeiten oder Zeit für lang aufgeschobene Projekte zu haben. 

Und ich?

Ich war am Boden zerstört. 


Wörtlich. Es gab Momente da lag ich auf dem Boden und habe mich gefragt wie es nur weitergehen soll. 


Mir ist es fast peinlich das zuzugeben. Denn 1. hat es so viele Menschen viel, viel schlimmer getroffen als mich und 2. haben so viele andere Menschen sofort agil, innovativ und dynamisch auf die Krise reagiert und sind mit coolen Online-Angeboten an den Start gegangen oder Nähen jetzt eben Masken wie verrückt.

Und ich? Ich liege am Boden und bemitleide mich selbst. Mehr denn je wird mir klar: Meinen Wert als Mensche messe ich immer noch vor allem daran, was ich am Ende eines Tages geschafft, bewirkt und erreicht habe. Und selbst in dieser total unverschuldeten Auszeit will das Leistungshamsterrad in mir einfach nicht still stehen. 

In den ersten beiden Wochen schaffe ich es nur durch den Tag, in dem ich ausschließlich das mache, worauf ich gerade Lust habe,  was sich gerade in dem Moment gut und leicht (oder leichter als anderes) anfühlt. Ich gehe also enorm viel spazieren oder joggen, schreibe, koche, atme, telefoniere, weine, schlafe. In den wenigen Momenten, in denen ich mich konzentrieren kann, versuche ich herauszufinden, was ich jetzt tun kann, was mir vielleicht an Hilfen vom Staat zusteht, wie es weitergehen kann. Mit der Zeit merke ich, dieses neue Verhältnis von bedingungsloser Selfcare und fokussierter Arbeit, erfüllt unerwarteter Weise etwas in mir - den langgehegten Wunsch mein Wohlbefinden mehr zu priorisieren und gut für mich zu sorgen.

 

Der Ausnahmezustand verlangt mir etwas ab, womit ich mein ganzes Leben schon hadere: Selbstliebe.

 

Und damit meine ich nicht die Art von Selbstliebe, die man sich mit Hilfe von Instagram-Affirmationen ins Hirn rein hypnotisiert - à la “Every body is a bikini body” (das stimmt natürlich, aber ist hier nicht der springende Punkt) - sondern die Art, die einem gebietet, aus allen vorhandenen Handlungsoptionen das zu wählen, was einem Energie gibt anstelle sie einem zu rauben.

Die Art, die einem signalisiert, wenn ein tolles Projekt, ein spannendes Angebot oder eine neue Möglichkeit nicht automatisch mit Begeisterung und Tatendrang angenommen werden muss, sondern man erstmal überlegen oder eben auch “Nein” dazu sagen kann.

Die Art, die starken Gefühlen Platz macht und gleichzeitig dafür sorgt, dass man daran nicht zugrunde geht.

Und die Art, die einen spüren lässt, was wirklich wichtig ist. 

Wie jede Liebesbeziehung ist auch die zu uns selbst nicht immer einfach und harmonisch.

Manchmal konkurrieren unterschiedliche Interessen miteinander, es kommt zu inneren Meinungsverschiedenheiten oder sogar zum viel beschriebenen inneren Konflikt.

Manchmal ist man traurig, verletzt, wütend über sich selbst - genauso wie in jeder anderen Beziehung eben auch. 

Und manchmal - so wie ich gerade die Erfahrung gemacht hab - gibt es einen Teil in uns, der für uns sorgt. Der aus purer Liebe handelt. Der möchte, dass es uns gut geht, dass wir kraftvoll durchs Leben gehen und mit unserer Essenz und all unserer Energie am Leben teilhaben können. 

So wie ich nach 15 Jahren Dating, 6 Jahren Beziehung und 1 Jahr Ehe die Liebe zu anderen noch nicht voll und ganz verstanden habe, so verstehe ich die Liebe zu mir auch nach fast 30 Jahren immer noch nicht wirklich.

 

Und trotzdem hat mir diese Krise einen neuen Einblick gegeben, darin, was es heißt mich selbst zu lieben. Für mich selbst zu sorgen. Die Person zu sein, die hält und gehalten wird zugleich. 


Wie jede Beziehung kostet es manchmal Kraft.

Manchmal schenkt es unendliches Glück.

Und manchmal ist es auch einfach nur schön, geliebt zu werden. 

Wir bleiben zuhause...

...mit anderen Menschen oder  auch allein. Was macht das mit uns? Mit unserer Liebe, unseren Beziehungen, unseren Freundschaften?  Wie steht es um Sex in Quarantäne, Dating auf Distanz, Flirten nur noch digital? Absofort jeden Abend Dinner for One oder nur noch Pärchenabend?

Wir - Cosima und Marie - schreiben unter dem Titel “Liebe in Zeiten von Corona” darüber, was wir und andere durch Quarantäne, Kontaktbeschränkung und Social Distancing mit Partner*innen, Familie, Freunden*innen, Affären, Liebhaber*innen und Flirts erleben. Wir wollen über die Herausforderungen reflektieren, Sehnsüchte erkunden, Sorgen teilen, Momente der Isolationsromantik feiern und am Ende auch ein bisschen über uns und den ganz normalen Alltagswahnsinn lachen. 

Die Kolumne erscheint nach dieser Folge jede Woche Mittwochs auf cusilife.

 
 

Cosima studiert Philosophie und schreibt auf ihrem Blog cusillife über (Selbst-)Liebe und Polyamorie. Marie ist Psychologin und arbeitet als freiberufliche Prozessbegleiterin und Organisationsentwicklerin. Trotz ihrer 5,5 Jahre Altersunterschied haben sie sich früher als Zwillinge in Clubs rein geschmuggelt. Jetzt schreiben sie gemeinsam über die Liebe in Zeiten von Corona.

Liebe in Zeiten von Corona – Folge #5 Was nützt die Liebe in Gedanken?

Liebe in Zeiten von Corona – Folge #5 Was nützt die Liebe in Gedanken?

Folge #5: Was nützt die Liebe in Gedanken?

- Cosima 

 

Ich sitze vor dem Rechner und schaue auf das Gesicht meiner Freundin Anne. Ursprünglich aus München, studiert jetzt in Aachen.  Wir haben uns zum digitalen Kaffee trinken verabredet, da unser für Anfang April geplantes Mädelswochenende leider aufgrund der aktuellen Lage ausgefallen ist. Trotzdem wollen wir uns natürlich auf dem Laufenden halten, Freuden und Sorgen auch in dieser verrückten Zeit teilen. Daher frage ich irgendwann auch:

 

“Und was macht die Liebe so?”
Ihr breites Grinsen und leicht geröteten Wangen verraten mir sofort

-es gibt etwas zu erzählen. 


Kurz bevor wir alle in den kollektiven Hausarrest gesteckt wurden (also eigentlich nur die, deren Jobs von zu Hause erledigt werden können oder nicht systemrelevant sind) hatte sie einen wirklich vielversprechendes Tinder-Match: Julius. Sie waren sofort auf einer Wellenlänge und auf dem besten Weg, dass aus einem lustigem, flirty virtuellen Gespräch in den nächsten Tagen ein lustiges, flirty analoges Treffen und vielleicht mehr wird. 

Dann ruft die Mutti der Nation zur Vernunft auf, hält alle an zu Hause zu bleiben und den Kontakt doch bitte auf ein Minimum zu beschränken. Das ist erstmal bitter. Die ersten Tage herrscht bei allen Beteiligten noch Verunsicherung: Ist es jetzt noch okay sich zu treffen oder nicht? Wie sieht das das Gegenüber? Bei ihr und ihrem Match war schnell klar, bis zu einem persönlichen Treffen müssen sie sich wohl noch gedulden. 

Und nun?

Funkstille bis Mutti sie wieder raus zum Spielen lässt?

In Anne's Fall, nein. Es wird freundlich digital weiter geplaudert, gemeinsam bedauert, dass ein Treffen in eine unbestimmt weit entfernte Zukunft verschoben ist, sich die Absicht bekundet, dass man sich immer noch treffen will und dann die ersten Ideen ausgetauscht, was man denn bei einem solchen Treffen anstellen könnte. Und eh sie sich’s versieht, steckt sie jetzt mittendrin in einer sexy Brieffreundschaften. Bei den Briefen handelt es sich ehrlicherweise um What’sApp-Nachrichten. Aber immerhin. Da sie bisher Menschen, die ihr sympathisch waren - on- oder offline -  immer ziemlich direkt um ein Treffen gebeten hat, betritt sie damit völliges Neuland, gesteht sie mir. Ein Land voller Andeutungen, schriftlich ausgelebter Fantasien, sexy Gif’s und Selfies in Unterwäsche auf denen sie sich verrenkt, damit ihr Gesicht nicht, ihr Arsch aber gut zu sehen ist. 

Da stoppt sie kurz ihre Erzählung und schaut etwas verschmitzt, so als überlegte sie, ob sie mir das nächste Detail verraten mag. Sie lässt sich hinreißen und gibt zu: erotische Literatur habe bei ihr gerade Hochkonjunktur und ihre erste Kurzgeschichte hat sie auch schon als Mini-Hörbuch eingelesen und versandt. 

Es ist aufregend, lebendig, überraschend kreativ, macht Spaß und die Zeit zu Hause erträglicher. 

Aber da ist natürlich auch Frust.

Frust darüber, die aufregenden Fantasien nicht ausleben zu können. Frust darüber, die Wärme, die Haut, den Schweiß und, was sonst noch so involviert ist, nicht tatsächlich spüren zu können. Frust darüber, nicht zu wissen, wann man sich endlich wirklich treffen können wird. Und Frust, über die ständige Unsicherheit, ob man den Kontakt wird halten können.

Und über all dem immer die Frage:

Was nützt sie - die Liebe in Gedanken?

Wir bleiben zuhause...

...mit anderen Menschen oder  auch allein. Was macht das mit uns? Mit unserer Liebe, unseren Beziehungen, unseren Freundschaften?  Wie steht es um Sex in Quarantäne, Dating auf Distanz, Flirten nur noch digital? Absofort jeden Abend Dinner for One oder nur noch Pärchenabend?

Wir - Cosima und Marie - schreiben unter dem Titel “Liebe in Zeiten von Corona” darüber, was wir und andere durch Quarantäne, Kontaktbeschränkung und Social Distancing mit Partner*innen, Familie, Freunden*innen, Affären, Liebhaber*innen und Flirts erleben. Wir wollen über die Herausforderungen reflektieren, Sehnsüchte erkunden, Sorgen teilen, Momente der Isolationsromantik feiern und am Ende auch ein bisschen über uns und den ganz normalen Alltagswahnsinn lachen. 

Die Kolumne erscheint jede Woche Mittwoch und Sonntag auf cusilife.

 
 

Cosima studiert Philosophie und schreibt auf ihrem Blog cusillife über (Selbst-)Liebe und Polyamorie. Marie ist Psychologin und arbeitet als freiberufliche Prozessbegleiterin und Organisationsentwicklerin. Trotz ihrer 5,5 Jahre Altersunterschied haben sie sich früher als Zwillinge in Clubs rein geschmuggelt. Jetzt schreiben sie gemeinsam über die Liebe in Zeiten von Corona.

Liebe in Zeiten von Corona – Folge #4,5 – Von der Liebe zum Gedicht

Liebe in Zeiten von Corona – Folge #4,5 – Von der Liebe zum Gedicht

Folge #4,5: Von der Liebe zum Gedicht

- HS , von uns auch Papa genannt

 

Geneigter Leser, geneigte Leserin,

mit dieser Anrede sind gleich zwei Punkte verraten:

Erstens, hier schreibt ein Gast auf der Kolumne der zwei Schwestern Marie & Cosima

und zweitens, der Schreiber ist ziemlich alt (modisch) ...

Was ist mein Anliegen?

In dieser Kolumne geht es ja um "Die  Liebe in Zeiten von Corona". Das Wort "Liebe" ist nun ein überaus weites Feld. Ich möchte heute jenen Teil Ihrer Zuneigung ansprechen, der Sie - wieder oder ganz neu - zum Lesen von Gedichten ermutigt.

Die Dichter und Dichterinnen halten in den Gedichten viel Trost und Lebensweisheiten für uns bereit.

Ein Beispiel, das Gedicht "Beherzigen" von Johann Wolfgang von Goethe:


Ach, was soll der Mensch verlangen?
Ist es besser, ruhig bleiben,
klammernd fest sich anzuhangen?
Ist es besser, sich zu treiben?

Soll er sich ein Häuschen bauen?
Soll er unter Zelten leben?
Soll er auf die Felsen trauen?
Selbst die festen Felsen beben.
Eines schickt sich nicht für alle
Sehe jeder, wie er's treibe
Sehe jeder, wo er bleibe,
Und wer steht, daß er nicht falle!



Am besten ist es, man liest Gedichte laut.

Noch besser: Sie lesen es Ihrer Liebsten oder Ihrem Liebsten vor,

zum Beispiel das Gedicht "Sehnsucht" von Joseph von Eichendorff. 

Die ersten Zeilen lauten:

Es schienen so golden die Sterne,
Am Fenster ich einsam stand
Und hörte aus weiter Ferne
Ein Posthorn im stillen Land.
Das Herz mir im Leibe entbrennte,
Da hab` ich mir heimlich gedacht:
Ach, wer da mitreisen könnte
In der prächtigen Sommernacht.

Was ich noch ans Herz legen möchte sind passend zum Thema der Kolumne zwei Liebesgedichte: "Freudvoll und leidvoll" von Johann Wolfgang von Goethe und "Erinnerungen an die Marie A." von Bertolt Brecht.

Gehen Sie auf Entdeckungsreise und finden Sie Ihr Lieblingsgedicht!

Zum Schluss möchte ich noch an Friedrich Hölderlin erinnern, der 2020 zum 250. Geburtstag geehrt wird. In seinem Gedicht "Patmos" dichtet er:

Wo aber Gefahr ist, wächst
Das Rettende auch.

Also:  Kopf hoch!

HS                    


Wir drei teilen die Liebe zu Gedichten. Am Frühstückstisch oder an Geburtstagen werden gerne ein paar Zeilen zum Besten gegeben.  Verbunden sein über Worte und manchmal andere sprechen lassen, wenn einem selbst die Worte fehlen.

Drei weitere Gedichte von drei Frauen:

"Wirst du..." - von Stefanie-Lahya Aukongo

Wirst du mit mir Murmeln sortieren
auf dem Boden meiner Seele?
Wirst du mich halten,
wenn ich nachts meinen eigenen Namen nicht mehr kenne?
Wirst du für mich die Geister wegscheuchen und 
gemeinsam mit mir den Stimmen in meinem Kopf antworten?
Wirst du, wenn meine Blume eines Tages blüht
und der Stil Stacheln trägt, 

wirst du sie gießen?

ja
nein
vielleicht


"Schöner Mensch" - von Cosima  

Schöner Mann.
Schöner Mensch. 
Zusammen versinken, 
ineinander.
Ich stelle mir deine Haut vor.
So weich, so lustvoll.
Sie hält dich zusammen.
Wir berühren uns, 
verführen und entführen
uns.
Sich eineinander,
füreinander öffnen.
Mein Körper riecht nacht dir
und 
wünscht sich 
du wärst noch hier.


“Von der Liebe, die da ist” - von Marie

Gerade lese ich viel
von der Liebe,
die fehlt,
die weit weg ist,
die herbeigesehnt wird,
die unerreichbar scheint.
Und doch ist sie da,
die Liebe.
Sie ist da,
wenn wir gemeinsam lachen,
wenn wir gemeinsam weinen,
gemeinsam verzweifeln,
gemeinsam loslassen. 
Die Liebe ist da,
wenn ich mir Zeit nehme,
zu atmen,
zu laufen,
zu schreiben,
zu sein. 
Die Liebe ist da,
wenn ich zurück schaue
und wenn ich voraus blicke.
Sie ist da
in diesem Moment.
Und im nächsten. 
Die Liebe ist da,
wenn wir gemeinsam anpacken,
aufstehen
und losgehen.
Sie ist da,
wenn wir gemeinsam schweigen,
aufschreien
und einstimmen. 
Die Liebe ist da, wo wir sind.
Sie ist da.

Wir bleiben zuhause...

...mit anderen Menschen oder  auch allein. Was macht das mit uns? Mit unserer Liebe, unseren Beziehungen, unseren Freundschaften?  Wie steht es um Sex in Quarantäne, Dating auf Distanz, Flirten nur noch digital? Absofort jeden Abend Dinner for One oder nur noch Pärchenabend?

Wir - Cosima und Marie - schreiben unter dem Titel “Liebe in Zeiten von Corona” darüber, was wir und andere durch Quarantäne, Kontaktbeschränkung und Social Distancing mit Partner*innen, Familie, Freunden*innen, Affären, Liebhaber*innen und Flirts erleben. Wir wollen über die Herausforderungen reflektieren, Sehnsüchte erkunden, Sorgen teilen, Momente der Isolationsromantik feiern und am Ende auch ein bisschen über uns und den ganz normalen Alltagswahnsinn lachen. 

Die Kolumne erscheint jede Woche Mittwoch und Sonntag auf cusilife.

 
 

Cosima studiert Philosophie und schreibt auf ihrem Blog cusillife über (Selbst-)Liebe und Polyamorie. Marie ist Psychologin und arbeitet als freiberufliche Prozessbegleiterin und Organisationsentwicklerin. Trotz ihrer 5,5 Jahre Altersunterschied haben sie sich früher als Zwillinge in Clubs rein geschmuggelt. Jetzt schreiben sie gemeinsam über die Liebe in Zeiten von Corona.


Liebe in Zeiten von Corona – Folge #2 Soziale Mondfinsternis

Liebe in Zeiten von Corona – Folge #2 Soziale Mondfinsternis

Folge #2: Soziale Mondfinsternis

- Cosima 

FOMO. The Fear of Missing Out. In einer Stadt, in der man zu viele Menschen, zu viele Möglichkeiten, zu viele Freizeitaktivitäten und eigentlich von allem irgendwie zu viel hat, da ist es eine Kunst „Nein“ zu sagen. Zum dritten Brunch, After Hour, Technoparty, Picknick, Crafternoon, Buchclub, Jamsession, Saunaabend mit Singkreis und so weiter.

Und das alles an einem Wochenende.

Es ist ein schönes Problem, ein lebendiges, fast zu lebendiges Sozialleben zu haben. Es gibt selten einen Tag, an dem ich nichts vorhabe.

 

Mein Kalender sieht normalerweise aus, wie mit Farbbomben beworfen.
Und jetzt - dunkelgraue Leere von morgens bis Mitternacht.
Es ist erstmal alles abgesagt.


Mitte März sollte unsere Veranstaltung “Frühlingsgefühle” über ein Wochenende stattfinden für eine Community, in der ich in Berlin aktiv bin. Alles war seit Monaten geplant. Ein Freund und ich hatten gemeinsam viele Stunden in die Organisation gesteckt. Angesichts der wachsenden Sorgen rund um Corona mussten wir schließlich einsehen, dass ein Treffen mit 50 Personen grad nicht drin ist. (Auch wenn es legal noch möglich gewesen wäre). Zu der Zeit ahnten wir noch nicht, dass innerhalb der nächsten Woche nicht einmal mehr das Zusammentreffen von mehr als zwei Menschen erlaubt zwei würde. Während die Zahlen der Coronainfizierten exponentiell wuchsen, stieg auch die Zeit, die ich damit verbrachte, über Corona zu sprechen, Treffen abzusagen, Nachrichten zu checken, Netflix zu schauen und Corona Memes zu teilen. 

Und dann plötzlich drehte sich die Welt langsamer. Stand für einen Moment sogar still. 

Alles wurde verschoben, abgesagt und geschlossen. Ab jetzt zuhause bleiben. Auch wenn ich traurig darüber war, dass wir das Wochenende auf Eis legen mussten, ich war erleichtert: Ein ganzes Wochenende, an dem ich nichts vorhatte und die Möglichkeiten, was anderes zu machen mit jeder Stunde weniger wurden. Eine Art soziale Mondfinsternis. Ich muss mal nirgends hin.

Erst jetzt merkte ich, wie sehr der soziale Druck, überall dabei sein zu wollen, sonst auf mir lastet.

 

Zwei Tage lang einfach nur zuhause sein, ich habe quasi „Coronafrei“ von meinem eigenen Sozialleben.

Und dann dreht sie sich plötzlich doch wieder weiter, die Welt.

Ab Montag hatte ich dann auf einmal schon wieder drei Telefonate am Tag, Gruppen Zoom Calls, Telegram Chats und 27 Einladungen auf Facebook zu digitalen Konzerten, Meditationen, Yoga, Sharing Circles, Comedy Shows, Online Parties und so weiter...

Die soziale Mondfinsternis war schon wieder vorbei.

Und alle machen jetzt noch mehr „ihr Ding“ und „starten voll durch“.

Don’t get me wrong – ich finde es toll, wie schnell und kreativ viele Menschen reagiert haben. Gerade für Personen, die alleine leben oder die mit Events und Shows ihr Geld verdienen, ist es wunderbar, dass es vieles davon jetzt online gibt. Die Welt soll sich ja weiterdrehen. Gewisse Normalität in der Krise ist unverzichtbar, und doch  möchte ich anerkennen, dass wir es mit einer Ausnahmesituation zu tun haben.

Ich hatte darauf gehofft, endlich mal „in meiner Höhle“ zu sitzen.

Die Welt in Ruhe zu lassen.

Und von der Welt in Ruhe gelassen zu werden.

Selbst zur Ruhe zu kommen.

Aber die Welt wird nicht weniger komplex und weniger überwältigend, auch nicht in Zeiten  einer Pandemie...gerade jetzt nicht!

Also raus aus der Höhle und spazierengehen, reden, spielen, überlegen, was ich und die Welt gerade brauchen. Die Kunst, die ich in der Quarantäne gerade lerne (weil ja jetzt jeder irgendwas mit Kunst macht), ist nicht überall dabei sein zu müssen, mein Leben nicht einfach nur auf online umzustellen, nicht dem Druck des Produktivitätshamsterrads zu verfallen, mir erlauben, Urlaub zuhause zu machen. Anstatt Kaffee am Strand in Portugal, wie ursprünglich geplant, lieber Kaffee auf dem Balkon in der Hängematte. Und abends dann dem Mond zuschauen. 


Wir bleiben zuhause...

...mit anderen Menschen oder  auch allein. Was macht das mit uns? Mit unserer Liebe, unseren Beziehungen, unseren Freundschaften?  Wie steht es um Sex in Quarantäne, Dating auf Distanz, Flirten nur noch digital? Absofort jeden Abend Dinner for One oder nur noch Pärchenabend?

Wir - Cosima und Marie - schreiben unter dem Titel “Liebe in Zeiten von Corona” darüber, was wir und andere durch Quarantäne, Kontaktbeschränkung und Social Distancing mit Partner*innen, Familie, Freunden*innen, Affären, Liebhaber*innen und Flirts erleben. Wir wollen über die Herausforderungen reflektieren, Sehnsüchte erkunden, Sorgen teilen, Momente der Isolationsromantik feiern und am Ende auch ein bisschen über uns und den ganz normalen Alltagswahnsinn lachen. 

Die Kolumne erscheint jede Woche Mittwoch und Sonntag auf cusilife.

 
 

Cosima studiert Philosophie und schreibt auf ihrem Blog cusillife über (Selbst-)Liebe und Polyamorie. Marie ist Psychologin und arbeitet als freiberufliche Prozessbegleiterin und Organisationsentwicklerin. Trotz ihrer 5,5 Jahre Altersunterschied haben sie sich früher als Zwillinge in Clubs rein geschmuggelt. Jetzt schreiben sie gemeinsam über die Liebe in Zeiten von Corona.