Liebe in Zeiten von Corona – Folge #1 Zusammen ist man weniger allein

Liebe in Zeiten von Corona – Folge #1 Zusammen ist man weniger allein

Folge #1: Zusammen ist man weniger allein

- Marie 

 

Noch vor ein paar Wochen habe ich beim Abendessen zu Freunden gesagt, dass ich meinen Partner gerne mehr zuhause hätte und es schön fände, wenn er mehr Homeoffice machen könnte oder weniger arbeiten müsste. 

Dank Corona ist es jetzt soweit.

Wir sitzen beide von morgens bis abends zu Hause. Und auch hier gilt: Traum und Wirklichkeit sind nicht immer identisch. 

Als Freiberuflerin bin ich auch sonst sehr flexibel was meinen Arbeitsort angeht. Ich bin es gewohnt, abwechselnd von zuhause, im Coworking-Space, im ICE oder bei den Kolleginnen am Küchentisch zu arbeiten. Ich habe also einige Erfahrung darin, wie ich mich selbst strukturiere, motiviere, äußerlich nicht verwahrlose und meine Arbeit erledigt bekomme, auch wenn ich das Haus mal nicht verlassen muss. Nach einem kurzen “Corona-Tief”, da alle meine Aufträge abgesagt oder auf unbestimmte Zeit verschoben wurden, konnte ich mich schnell wieder in meine bewährten Routinen einfinden. Ich arbeite jetzt online weiter und gehe Projekte an, für die sonst nicht so viel Raum ist (diese Kolumne zum Beispiel). Mein Partner hingegen hat auf die Anordnung von zuhause zu arbeiten mit totaler Euphorie reagiert. Er versucht seinen Arbeitgeber seit Monaten von regelmäßigen Homeoffice-Tagen zu überzeugen. Bisher erfolglos. Die zwei Stunden weniger Pendeln am Tag wurden in der ersten Woche gleich mal in alle Projekte gesteckt, die das schöne Wetter und die eingeschränkten Einkaufsmöglichkeiten nach Feierabend so hergaben. Daher haben wir jetzt eine neu gepflasterte Sitzecke im Garten und eine neue Arbeitsplatte in der Küche. Unser Arbeitszimmer ist  daher neuerdings auch noch Werkstatt und Werkzeuglager. Wie praktisch.

Die gemeinsame Morgenroutine habe ich mir romantischer vorgestellt.

 Normalerweise ziehe ich meine Rituale zwar nicht mit Influencer-ähnlicher Strenge und Ästhetik durch, aber immerhin mit einer gewissen Regelmäßigkeit: Während mein Partner das Haus sonst zu einer Uhrzeit fertig geschniegelt verlässt, zu der ich noch im Bett liege (außer die Pflicht ruft mich schon früher raus), stehe ich meistens erst auf, wenn ich die Wohnung für mich alleine habe. Dann mache ich Yoga oder schreibe Tagebuch. Manchmal dusche ich auch gleich, mache mir in aller Ruhe Frühstück, lese oder höre etwas. Und jetzt mal ganz ehrlich: vor 10:00 Uhr schaffe ich es meistens nicht an den Schreibtisch, denn ich führe morgens den typischen Prokrastinationskampf mit dem Haushalt (zum Beispiel mit der Wäsche, die seit 7 Tagen furztrocken auf dem Ständer hängt). In meiner Vorstellung – jetzt da wir beide zu Hause sind – lassen wir es morgens gemütlich angehen, kuscheln noch ein bisschen, frühstücken gemeinsam. Aber das funktioniert schon deswegen nicht, weil er morgens gerne etwas während dem Frühstück schauen möchte – am liebsten Nachrichten. Die deprimieren mich so früh eher, weswegen ich mir diese meistens für später am Tag aufspare. Nachdem ich meinen Ritualen also treu bleibe und er am Rechner frühstückt, landen wir dann beide irgendwann im gemeinsamen Arbeitszimmer. Ich bin wegen der Massen-Quarantäne so gut wie ununterbrochen in irgendwelchen Zoom- und Skype-Meetings, da meine Arbeit auch sonst viele persönliche Treffen, Telefonate und digitale Meetings beinhaltet. Jetzt teile ich allerdings mein Homeoffice mit einem schweigend arbeitenden Bürokraten. Da liegen die Nerven öfter blank als erwartet.
 

Die Rettung - ich arbeite jetzt öfter in meinem neuen Lieblingscoffeeshop alias der Küche. Self service, versteht sich.  


Dann sind auch unsere Zeiten für Pausen und Nahrungsaufnahme komplett verschieden. Ich frühstücke relativ spät, esse mittags meistens nur eine Kleinigkeit, oft Reste vom Vortag, und gehe lieber noch eine Runde spazieren. Für ihn muss es mittags (und ich zitiere hier) „etwas richtiges zu essen“ sein und danach Mittagsschlaf. Das mit dem Sex in der Mittagspause ist wohl auch eher eine Wunschvorstellung. Ähnlich der Ausbreitung des Coronavirus, steigt auch meine Produktivität exponentiell über den Tag an. Das heißt pünktlich zur täglichen Quarantäne-Kaffeepause meines Partners um 15:30 Uhr bin ich auf meinem Produktivitätshoch und kann mich genau dann nur schwer vom Rechner loseisen. 

Während der Start in den Tag neuerdings so anders verläuft, bleibt am Ende des Tages eigentlich alles wie immer: eine*r von uns kocht, wir kommen so richtig zum ersten Mal beim Abendessen zusammen und erzählen uns, was wir an dem Tag so erlebt haben. Ein hoch auf ein Stückchen Normalität in Zeiten des Dauerausnahmezustands. 

Wir bleiben zuhause...

...mit anderen Menschen oder  auch allein. Was macht das mit uns? Mit unserer Liebe, unseren Beziehungen, unseren Freundschaften?  Wie steht es um Sex in Quarantäne, Dating auf Distanz, Flirten nur noch digital? Absofort jeden Abend Dinner for One oder nur noch Pärchenabend?

Wir - Cosima und Marie - schreiben unter dem Titel “Liebe in Zeiten von Corona” darüber, was wir und andere durch Quarantäne, Kontaktbeschränkung und Social Distancing mit Partner*innen, Familie, Freunden*innen, Affären, Liebhaber*innen und Flirts erleben. Wir wollen über die Herausforderungen reflektieren, Sehnsüchte erkunden, Sorgen teilen, Momente der Isolationsromantik feiern und am Ende auch ein bisschen über uns und den ganz normalen Alltagswahnsinn lachen. 

Die Kolumne erscheint jede Woche Mittwoch und Sonntag auf cusilife.

 
 

Cosima studiert Philosophie und schreibt auf ihrem Blog cusillife über (Selbst-)Liebe und Polyamorie. Marie ist Psychologin und arbeitet als freiberufliche Prozessbegleiterin und Organisationsentwicklerin. Trotz ihrer 5,5 Jahre Altersunterschied haben sie sich früher als Zwillinge in Clubs rein geschmuggelt. Jetzt schreiben sie gemeinsam über die Liebe in Zeiten von Corona.