Warum ich Polyamorie wirklich geil finde – ein Kommentar zu Kommentaren

Warum ich Polyamorie wirklich geil finde – ein Kommentar zu Kommentaren

"Frauenschwarm – Wo steht der deutsche Feminismus“ So wird das Porträt von Margarete Stokowski im SZ Magazin betitelt. Dadurch bin ich auf ihre Kolumne auf Spiegel Online gestoßen. Von ihrem Buch „Untenrum frei“ hatte ich schon gehört, jetzt liegt es bei mir auf dem Bett. 

Margarete? Frau Stokoswki? Hört sich beides komisch an. Naja, also Margarete Stokoswki ist bekennende Feministin und schreibt über strukturellen Sexismus, die kleinen und großen Machtgewebe in unserer Gesellschaft, manchmal lustig, manchmal zynisch. 

Aber laut, ehrlich, mutig. In ihren Kolumnen spricht sie Sachen an, die nicht neu sind, aber die sich viele immer noch nicht anhören wollen. Besonders gelungen fand ich die Episode „Schöne Feministinnen“. So weit, so ok. 

Scrollt man jedoch ein bisschen weiter runter kommt – das Gruselkabinett Kommentarspalte!

Wie auch im Portät erwähnt, bekommt sie viel Zuspruch. Doch was da manche Menschen von sich geben „als Kommentar“ bringt mich in kurzer Zeit durch eine Achterbahn der Emotionen und Gesichtsausdrücke.

Zwischen Empörung, Wut, Trauer und am Ende ringe ich mir irgendwie ein Lachen ab, weil es manchmal anders nicht zu ertragen ist! 

Zum Beispiel - ein Kommentar zu Gleichberechtigung von Frauen: Bis es weh tut
"Wieder werden hier Behauptungen über Benachteiligung von Frauen aufgestellt, die frei erfunden sind. Wenn eine Frau den gleichen Beruf ergreift wie ich als Mann (Zahnarzt) kann sie auch genauso viel Geld verdienen wie ich. Sie muss sich auch von keinem (Ehe-) Mann unterdrücken lassen. Dies ist ein freies Land. Niemand zwingt sie Kinder zu bekommen, um ihre Karriere zu gefährden. Niemand zwingt sie, sich einem Mann sexuell zu unterwerfen. Sie kann alleine bleiben wenn sie meint ein Mann unterdrücke sie. Frauen sind immer freiwillig mit Männern zusammen, jedenfalls in Deutschland. Manche Frauen ärgern sich lediglich über den Verrat ihrer Geschlechtsgenossinnen. Das ist alles. Frauen sind nicht solidarisch miteinander, das ist ihr Problem. Das wird sich auch nie lösen lassen. Die Biologie läßt sich nicht betrügen."

Es wäre schön einfach sagen zu können, naja die Menschen sind halt dumm und unreflektiert, aber diese Aussage ist genau das: dumm und unreflektiert! Viele Menschen lassen ihr Empathievermögen gern mal an der Tür, bevor sie Wörter ins Internet ballern. Soll ich trotzdem noch empathisch sein? 
Es gibt ihre Kolumne nun mal, weil wir noch in patriarchalen Strukturen leben, weil wir von Geschlechtergerechtigkeit in vielen Bereichen noch weit entfernt sind, weil es Privilegien und Machtstrukturen gibt, die einige so gerne weiter bestehen sehen würden! Und wer das nicht sehen will, erklärt lieber die Anklägerin für verrückt, als das System. 

Hin und wieder bekomme ich auch ein paar Kommentare, die ... naja Kopfschütteln auslösen. Aber bei weitem überwiegen, die vielen positiven und lieben Worte! Danke dafür 🙂
Doch es wird Zeit mal ein bisschen, was raus zu lassen. 


Also alle Lauchs da draußen aufgepasst, jetzt schreib ich euch nämlich mal nen Kommentar:

Während sich Margarete anhören musst nur Mal richtig durchgefickt zu werden, notfalls auch mit Spargel*, muss ich mir anhören endlich aufzuhören meine innere Einsamkeit der angeblichen Ungebundenheit durch Rumficken zu betäuben. 
Ungeachtet, dass ich seit über zwei Jahren mit meinen beiden Freunden zusammen bin und mich sehr gebunden fühle. Obwohl das eigentlich egal wäre. 
Dies zeigt, dass „wir“ Frauen es doch nicht richtig machen können. Wer sich über das System beschwert muss nur mal richtig gefickt werden, weil uns das all die Ungerechtigkeiten des Alltags vergessen lässt? 
Und wer seine Sexualität auslebt, der sucht nur vergeblich nach etwas, was eigentlich nur die wahre Liebe bringen kann. 
BULLSHIT! 
Ein für alle Mal: Wie viel, wen und warum ich ficke, ist meine Sache. 
Danke, ich brauche keine Fremddiagnose über meine Verachtung der Treue, so wie du sie verstehst.

Sogar gut recherchierte Artikel über Polyamorie betiteln durch ‚Sex mit anderen ohne Betrügen‘ in jeglichen Variationen. And I get it. 

Sex sells, oder so?!

Die Vorstellung eine Beziehung zu haben und eine Freifahrtsschein, um nebenbei mal jemand anderen zu vögeln, klingt erstmal toll für viele. Hier schreibe ich über die meistens Vorurteile, die mir zu Polyamorie begegnen.
Allerdings funktioniert so menschliche Verbindung nicht. 
Die Idee von Polyamorie ist für mich (unter anderem) mich mit dem ganzen Krams, der damit einhergeht auseinanderzusetzten!

Es geht um ein offenes Herz, um Verbindung, um Spaß, um Ehrlichkeit, um Vertrauen und ja manchmal auf um Sex.

Und vor allem das Anerkennen von hey, da gibt es mehr Menschen, die ich liebe, mag und attraktiv finde. Und als ob das, das Geilste daran wäre. Ja, ich feiere es, dass ich mit einem meiner Partner Dreier und Vierer haben kann, dass er mir alle Orgasmen der Welt wünscht und sich freut wenn ich mit anderen Menschen schlafe. Aber das wirklich Geile daran ist, dass wir unsere eigenen Märchen schreiben. Wir brauchen keinen Relationship Escalator**, um auf dem Plateau der Gefühle anzukommen.

Es sind die Momente, wenn wir alle am Küchentisch frühstücken, kuscheln und diese Liebe im Raum hängt. Es sind die Tage, an denen ich fünf verschiedene Menschen kuschle und küsse und ich weiß alle kennen und mögen sich. Es sind die Momente, in denen mich andere Menschen fragen, wie wir denn unsere Beziehung geöffnet haben, weil es ja anscheinend ganz gut klappt.

Es sind die Momente, in denen ich mit Liebeskummer wegen einem Freund, in den Armen meines anderen Freunds liege.

Es sind die Momente, in denen ich weiß, wir entscheiden uns für einander, nicht weil da sonst niemand ist, sondern obwohl es andere Menschen in unserem Leben gibt.  Es sind die Momente in denen ich weiß, dass ich mein Leben so leben kann, wie ich will. Es ist geil, weil wir hinterfragen, wie uns idealisierte Romantik an uns und unseren Beziehungen zweifeln lässt und wie wir versuchen das hinter uns zu lassen. Es ist geil, weil ich schon als Teenager über Mehrfahrbeziehungen fantasiert habe und es jetzt leben kann. Ohne Heimlichtuerei. Weil ich mich neu verlieben kann ohne meine jetzigen Lieben zu verlassen. Die Frauenfußballnationalmannschaft sagt in ihrem neuen Imagefilm, ihre Vorbilder sind sie längst selbst: hell yeah!
Es ist geil, weil ich ein Vorbild für andere sein kann. 

Ich will nicht missionieren. Monogamie ist genauso geiler shit, wie andere Formen von Beziehung. Und das sag ich in fast allen meinen Artikeln. Just fyi. 
Aber dann sagt mir doch bitte nicht, wen ich zu ficken oder nicht zu ficken habe. 
Und „was mein Herz wirklich will“***  das weiß ich selbst immer noch am Besten. Und wenn ich es mal nicht weiß, dann geht es nicht darum, dass mir irgendein Typ in einer Kommentarspalte erzählt, wie ich mein Leben zu leben habe, sondern darum, dass ich bitte selbst rausfinden darf, was ich will!
Also FUCK YOU! Selbstbestimmte Sexualität, heißt, genau das: Ich bestimme selbst. 


*"Vielleicht einen besonders großen 'Spargel' mal unten einführen? Vielleicht sind Sie dann entspannter" - aus Hate Speech. Hobbypsychiater, gebt auf! von M.Stokoswki

** Relationship Escalator meint das Konzept, dass es bei romantischen Beziehungen normalerweise nur in eine Richtung geht und es "je ernster es wird" bestimmte Schritte und Stufen gibt, die man erreichen kann und soll.

***Zitat aus einem Kommentar zu meinem Blog, wo mir jemand versucht zu erklären, was ich wirklich will. Ganz nachzulesen auf meiner Facebookseite.

Foto by W A T A R I on Unsplash

5 Typen der Sexualität – Welcher Typ bist du?

5 Typen der Sexualität – Welcher Typ bist du?

Wenn du dir deinen Ken oder deine Barbie (oder Karbie 😉 ) aus dem Katalog bestellen könntest, was würdest du dir wünschen?

Um sagen zu können, was du willst, musst du dich selbst kennen lernen.
Es geht nicht darum sich einen perfekte/n Partner*in zu wünschen,
sondern darum zu verstehen und dich und deine Sexualität zu entdecken, was dir gefällt, was du magst, was dir wichtig ist oder eben auch nicht. Sexuelle Fantasien dürfen ausgelebt werden. Und wie alles ist das mal wieder ein Weg.

 

Ein Pfad in der Landkarte deines Lebens.

 

 

Christian und ich erzählen dir in dem Artikel über die 5 Blueprints of Sexuality.
Sie haben uns sehr geholfen uns besser kennen zu lernen und einen Schritt weiter zu gehen, dabei unsere Sexualität zu entdecken. Wir wünschen uns, dass sie auch Impulse für dich setzen. 

 

*Es kam die Idee für den Blogbeitrag, nicht den Blog.

 

Die 5 Typen der Sexualität

sexuelle fantasien

 

 

Sexualität entdecken – Typ 1: Energetisch

Für den energetischen Typ ist Sex spirituell. Er liebt es sich tief mit seinem Partner zu verbinden und stundenlang die gemeinsame innere Welt der Gefühle zu erforschen.

 

Stärken:

  • Sensibel und intuitiv
  • Leichter Zugang zu Orgasmen
  • Schätzt Verbundenheit beim Sex
  • gutes Körperbewusstsein

Schattenseiten:

  • Sieht „seine“ Art der Sexualität oft über die der anderen
  • Spannungen in der Beziehung turnen ihn sehr ab
  • Verschlossen durch frühere Grenzüberschreitungen

 

Zum Ausprobieren: Verbinde dich mit deinem Partner vor dem Sex. Haltet Augenkontakt und spricht darüber was ihr gerade spürt. Teilt eure Ängste und Sehnsüchte mit einander und versucht so detailliert, wie möglich zu sein.

 

 

Sexualität entdecken – Typ 2: Sinnlich

Der sinnliche Typ mag es alle Sinne beim Sex mit einzubeziehen. Er liebt den Raum schön herzurichten.
Essen, Gerüche, Öl, Musik und Berührungen kombiniert er gerne.

 

Stärken:

  • Er mag es sexuelle Wohlfühlräume zu schaffen
  • Lebt in einer reichen sinnlichen Welt und hat ein hohes Körperbewusstsein

Schattenseiten:

  • Oft im Kopf, so dass er sich nicht fallen lassen kann
  • Bei Chaos im Raum oder Krümmel im Bett, kann er sich nicht entspannen
  • Teilweise schlechterer Zugang zu Orgasmen

 

Zum Ausprobieren: Mach Sex zu einem Ritual mit viel Vorbereitung. Wärme, Decken, Kerzen, leckeres Obst, Schokolade, Entspannungsmusik. Zieh an, wie du dich schön und wohl fühlst. Fang mit einer Massage an und bezieh nach und nach, z.B. das Obst oder die Schokolade mit ein.

 

 

Sexualität entdecken – Typ 3: Sexuell

Der sexuelle Typ liebt Sex und er braucht regelmäßigen Sex um erfüllt zu sein. Er liebt harten, feuchten Sex, nackt und spontan.

 

Stärken:

  • Ist fast immer bereit für Sex auch ohne Vorspiel
  • Hat sehr viel Spaß beim Sex und ist  unkompliziert
  • Bringt Spontanität ins Sexleben

Schattenseiten:

  • Oft zu sehr auf Orgasmen fixiert dass er Sex gar nicht genießen kann
  • Fühlt sich frustriert wenn er oder der Partner keinen Orgasmus hatte
  • Für ihn ist Sex oft einseitig
  • Oft auf sich selbst fixiert und weiß nicht was der Partner möchte

 

Zum Ausprobieren: Trau dich spontan Sex zu haben zu jeglichen Zeiten. Bei einem Ausflug, beim Einkaufen, in einer Bar,…

 

 

Sexualität entdecken – Typ 4: Kinky

Der Kinky Typ liebt es Tabus zu brechen. Das kann von Leder, Verkleidungen, Peitschen, Seile über Fantasien, Rollen- und Machtspiele gehen.

 

Stärken:

  • Kreativ und vielseitig
  • Gut in der Kommunikation von Fantasien und Grenzen
  • Mut zum Ausprobieren

 

Schattenseiten:

  • Teilweise nur durch einen Fetisch erregbar
  • Versteckt Vorlieben aus Scham und Angst vor Ablehnung
  • Wird oft von anderen verurteilt

Zum Ausprobieren: Mach etwas was du noch nie gemacht hast, was du als Tabu siehst, was dich aber reizt. Je nach dem, wie viel Erfahrung du damit schon hast, kann das sehr unterschiedlich sein und von sich fesseln zu Rollenspielen o. Ä gehen.

 

 

Sexualität entdecken – Typ 5: Gestaltenwandler

Der Gestaltenwandler braucht alle Elemente der anderen Typen um sich sexuell erfüllt zu fühlen. Er mag es mit der gesamten Palette zu spielen.

 

Stärken:

  • Interessiert alle Typen auszuleben
  • Oft ein außergewöhnlicher Liebhaber
  • Liebt Abwechslung und Kreativität

Schattenseiten:

  • Gibt sich selbst manchmal auf und macht es dem Partner recht
  • Kann gelangweilt sein wenn Partner nur eine Seite spricht
  • Manchmal einige Schattenseiten der anderen Typen

 

Zum Ausprobieren: Versuche Abwechslung in dein Sexleben zu bringen und die oben genannte Elemente mit einzubeziehen. Verbindung, Massage, harten wilden sex und Machtspiele.

 

 

Persönliche Erfahrung

Sexualität Entdecken _ Cosima&Christian

 

 

 

 

Mit welchen Typen wir uns identifizieren und was unsere Erfahrung bisher damit sind, erzählen wir dir hier:

 

Alle Typen sind natürlich nur Orientierungen.
Wir wollen dich ermutigen dich auszuprobieren und dich nicht in eine Form zu pressen.
Hier kannst du noch etwas zu sexueller Orientierung und Coming Out Day lesen.
Bei all dem ist uns vor allem auch sexuelle Selbstbestimmung wichtig!
Du schmeißt deine eigene Party. Also genieß sie und gestalte sie, wie du willst ( :
Und vergiss dabei nicht: Spaß zu haben! Verbieg dich nicht, um dir selbst oder jemanden zu gefallen.
DU bist schon ziemlich cool, so wie du bist!

 

 

Jaiya ist eine international bekannte Sexologin und Autorin von „Red Hot Touch“.
Sie hat die fünf Typen entwickelt (bei ihr heißen sie Blueprints).

Auf ihrem Blog Missjaiya findest du noch mehr zu den 5 Blueprints
und kannst auch ein Quiz machen, um herauszufinden, welcher Typ du bist. → Hier gehts zum Quiz. 
Mehr zu Christian und seinen Erfahrungen findest du auf seinen Youtube Chanel .
Du willst deine Gedanken mit ihm teilen? – Schreib ihm gerne auf Facebook. 

 

 

Take what you like, leave what doesnt serve you.

Christian & Cosima

 

 

 

Du willst noch mehr zu Sexualität hören?
Dann trag dich jetzt in den Glücksletter ein und
schaue dir kostenlos
 das Video zu den ‚Five S of Sexuality‘ an:

 

Sextalk – Lass uns gemeinsam über Sexualität reden

Sextalk – Lass uns gemeinsam über Sexualität reden

sextalk

Mit 13 habe ich das erste mal einen Porno gesehen. Gemeinsam mit drei pubertierenden Jungs. 
Das hat mich ziemlich geschockt. Ich dachte mir, das kann es doch nicht sein, was Jungs wollen und wie „Sex“ abläuft…

Danach habe ich die Finger von Pornos gelassen. Mein Interesse an „sich entdecken und ausprobieren“ ist natürlich nicht kleiner geworden.

Doch schon lange bevor ich mein erstes Mal hatte, dachte ich mir, dass das es doch eigentlich darum geht, zusammen Spaß zu haben, sich wohl zu fühlen, sich schön zu fühlen, und das das alles überhaupt nicht peinlich, eklig oder schmutzig ist.

Natürlich hatte ich auch andere Gedanken, denn vor allem als Mädchen hatte ich Angst davor, als Schlampe abgestempelt zu werden.

 

Im Sexualunterricht saß ich einerseits Kopfschütteln im Unterricht, weil ich diesen Holzpenis einfach nur peinlich fand. Andererseits hatte ich tausend Fragen, vor allem zu sexueller Orientierung. Eine der beiden Frauen, die den Unterricht für uns gestaltet hat, war eine Lesbe und es hätte mich vieles dazu interessiert.

Doch eine entspannte Atmosphäre, in der ich mich wohl gefühlte hätte, alles zu fragen, hat sich nicht eingestellt.

Kein Wunder, dass ich auch heute noch oft erlebe, wie es Menschen schwer fällt über ihre Sexualität, sexuelle Erfahrungen, Fantasien, Körper, Menstruation, Masturbation, Ängste und Wünsche zu sprechen. 
Auch ich brauche da immer wieder Mut auszusprechen, was mich gerade beschäftigt.

 

Doch ich habe gemerkt, wie sehr es mir hilft, wenn andere Menschen offen sind.

Bei einer „GeniTalk SexTalk Meditation“ von Jura organisiert, hat ein Mädchen ganz offen erzählt, dass sie in den letzten Tagen ein Jucken in ihrer Vagina gespürt hat und Angst davor hat, dass sie sich Bakterien o. Ä. eingefangen hat. Ich war so dankbar in dem Moment, dass endlich mal jemand darüber spricht.

Geschlechtskrankheiten sind auch nur Krankheiten und behandelbar. Doch wenn niemand darüber spricht oder man sich dafür schämt und nicht zum Arzt geht, ist die Wahrscheinlich höher, dass sie sich weiter verbreiten. In diesem Post habe ich erzählt, dass ich mich gerade auf STDs (Sexual Transmitted Diseases) testen habe lassen. Ich freue mich über die Resonanz.

 

TALK ABOUT IT! Let’s have a Sextalk together. 

Doch nicht nur bei Geschlechtskrankheiten
ist Kommunikation wichtig.

Obwohl wir schon offener sind und viele Themen einfacher angesprochen werden können, gibt es auch noch viel Scham und Tabus rund um unsere Körper und Sexualität.

 

Ich habe Lust über all das zu reden, zu philosophieren, Gedanken, Übungen, Ideen und Erfahrungen zu teilen. Mit dir ( :  Du auch?

 

Im letzten Jahr durfte ich viel neues kennen lernen zu den Themen Sexualität, Intimität, Liebe und Beziehungen. Ich habe gemerkt, dass das was uns gezeigt wird in Medien oder gesellschaftlichen Normen nicht alles ist, was es gibt. Das ahnte ich zwar schon vorher, doch wie ich zu einem anderen Umgang und anderen Miteinander komme, konnte ich mir nicht vorstellen.

Ich glaube und durfte selbst schon erleben, dass sexuelle Erfahrungen sehr heilsam sein können. 
Heilsam, in dem Sinne, dass wir altes loslassen können, dass Emotionen hoch kommen, die wir unterdrückt haben, dass wir neues kennen lernen und mutig sind. Das wir uns fallen lassen können und dass wir selbst unsere Stärke erkennen und selbstlos geben können.

 

Drei weitere Punkte, die meine Welt und meine Beziehung zu Sexualität&Intimität gedreht haben:

  • Sex ist nicht das Ziel.
    Wir lernen oft, dass es dieses Ziel gibt, am Ende mit einander Sex zu haben. Ob das jetzt nach einer Party ist oder innerhalb einer Beziehung. 
Lass es los. Sex ist nicht das Ziel. Denn dabei verlieren wir den Weg. 
Sei im Moment und genieß das was gerade da ist und wenn Sex ein Teil davon 
ist, wunderbar, wenn nicht, genauso wunderbar.

 

  • Intimität ist sehr verschiedenen.

    Das hängt viel mit dem ersten zusammen. Intimität entsteht vor allem durch Verletzlichkeit, sich zeigen, sich gegenseitig öffnen und ganz im Moment zu sein mit einander. Zum Beispiel kann ein Gespräch, gemeinsames meditieren oder sich um einander kümmern, wenn man krank ist, sehr intim und verbinden sein.

 

  • Es lohnt sich mutig zu sein und es gibt nichts zu bereuen.
    Auf einer Goa Party ist mir dieser schöne Typ hinter der Bar gleich am Anfang aufgefallen. Am Ende habe ich mir noch einen kleinen Schubs gegeben, ihm gesagt, dass er wirklich sehr schön aussieht und ob ich seine Nummer haben kann. Er zeigt auf das Mädchen neben sich und sagt, dass sei seine Freundin, aber dass es total schön ist, dass ich ihm das gesagt habe.
Und genau das ist es. 
In den letzten Monaten durfte ich viele aufregende, schöne Begegnungen haben und meistens braucht es am Anfang ein bisschen Mut. Es lohnt sich.

 

Es ist wahre Magie, wenn sich Menschen offen und verletzlich auf einander einlassen. 
Dabei müssen intime Erfahrungen, nicht unbedingt sexuell sein.

 

Langsam und bewusst sein sind zwei der ausschlaggebenden Punkte, die ich meiner Erfahrung nach, nennen würde, für magische Momente. 
Mehr dazu habe ich in diesem Blogpost geschrieben.

Das Thema Beziehung beschäftigt mich gerade sehr. 
In dem Interview erzähle ich, was Polyamorie für mich heißt und hier nehme ich 10 Vorurteile über Polyamorie auseinander. Wenn du noch weitere Fragen dazu hast, 
stelle sie gerne.

 

Es gibt auch noch einiges, was mich wütend macht

oder Unsicherheit bei mir auslöst bei dem Thema Sextalk .

Zwei davon möchte ich noch mit dir teilen, die mich gerade beschäftigten:

Slutshaming – „Slut Shaming greift Frauen für ihr sexuelles Verhalten, Gebahren oder auch Kleidungsweise an, oder redet ihnen hierfür Schamgefühle ein.“¹

Warum habe ich Angst davor, als Schlampe zu gelten?

Es könnte mir ja egal sein, was andere denken. Einerseits ist es das auch.

Andererseits verbinde ich mit dem Begriff Schlampe, dass jemand unsensibel und unehrlich ist. 
Das versuche ich nicht sein.
Sondern ehrlich, liebevoll und respektvoll mit mir selbst und mit anderen. Auch das klappt nicht immer.
Doch für eine gemeinsame Basis ist es unverzichtbar, dass man sich sicher fühlt, ehrlich ist und sich mit seinen Gefühlen, Wünschen und Ängsten zeigt. 
Slutshaming erzeugt Angst und Unsicherheit davor nicht mehr akzeptiert zu sein oder was falsch gemacht zu haben.
You are okay, the way you are.

 

Homophobie und Diskriminierung

„Man kann die Welt nicht in Schafe und Ziegen einteilen. Nicht alle Dinge sind schwarz oder weiß. Es ist ein Grundsatz der Taxonomie, daß die Natur selten getrennte Kategorien aufweist. Nur der menschliche Geist führt Kategorien ein und versucht, die Tatsachen in getrennte Fächer einzuordnen. Die lebendige Welt ist ein Kontinuum in all ihren Aspekten. Je eher wir uns dessen in bezug auf menschliches Sexualverhalten bewußt werden, um so eher werden wir zu einem wirklichen Verständnis der Realitäten gelangen.“

– Alfred C. Kinsey: 1948

Alfred Kinsey war Sexualforscher und hat die Kinsey Skala entwickelt, die vereinfacht versucht, das Spektrum und die Fluidität von sexueller Orientierung darzustellen.
Die Skala geht von 0 bis 6. 0 steht für ausschließlich heterosexuell und 6 für ausschließlich homosexuell. Da zwischen gibt es dann verschiedene Formen von sexueller Anziehung zu unterschiedlichen Geschlechtern.

 

Ich habe in dem Artikel über Coming Out geschrieben. Momentan würde ich mich als pansexuell und polyamor identifizieren. 
Mich macht es wütend, dass viele Menschen, die sich in heterosexuellen Normen wieder finden, die inneren Konflikte der LGBT+* Community nicht nachvollziehen können. Oft heißt es, es ist ja schon alles gut in Deutschland und es gibt wenig Diskriminierung. 
Wir haben viele Fortschritte gemacht, das finde ich toll. 

Gleichzeitig ist es oft noch ein langer innerer Kampf, bis man sich sicher und wohl fühlt, in dem wie man lebt und liebt.
Auch Diskriminierung, Verurteilung oder Unsicherheit ist noch Alltag für viele Menschen aus der LGBT+* Community.

Ich erlebe viel Unsicherheit bei mir selbst und kenne das auch von anderen, dass bi/pansexuelle Menschen sich oft nicht ernst genommen fühlen in ihrer sexuellen Orientierung und damit kommen andere Probleme einher, vor allem, weil je nach dem welches Geschlecht man gerade datet interpretiert wird, welche sexuelle Orientierung man hat. Ich wünsche mir mehr Offenheit und Mut bei diesen Themen für die vielen tollen, aufregenden Seiten, aber auch Platz um Herausforderungen und Konflikte anzusprechen. 
Hier findest du einen sehr guten Artikel dazu, wie du deine queerness behältst, auch in einer straight aussehenden Beziehung.

 

Ich freue mich darüber, dass ich erlebe, dass wir offener, toleranter und liebevoller sind.
Und wir können diesen Weg weiter gehen.

Was sind deine Erfahrungen? Was interessiert dich zum Sextalk?
Was verbindest du mit Sexualität?

Ich möchte dir hier einen Raum geben, in dem du dich entdecken kannst.
Schreib es in die Kommentare oder schreib mir eine Nachricht. 
Ich freue mich davon zu hören.

 

Cosima ♥

 

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¹ Definition Slutshaming    – Die ursprüngliche Seite der Definition ist leider nicht mehr online.
Mit dem Link findest du die englische Version in Wikipedia. Ich finde die deutsche Übersetzung aber sehr passend und verständlich. 
Bild 2 © Michael Kreuzwieser

Was wolltest du schon immer über Sex wissen? – Interview mit einer Sexualtherapeutin  Part II

Was wolltest du schon immer über Sex wissen? – Interview mit einer Sexualtherapeutin Part II

 

„Das ist das Tabu der heutigen Zeit: keinen Sex zu haben.“

Letze Woche wurden schon acht Fragen zum Thema Sexualität von Gerlinde Harth beantwortet.
Sie ist Sexualtherapeutin in Würzburg und ich durfte ihr einige Fragen stellen.

Wenn du den ersten Teil noch nicht gelesen hast, dann kannst du das hier machen.
Weiter geht’s mit den nächsten zehn Fragen:

 

Die Gesellschaft polarisiert bei den Themen Sexualität, Beziehung und Liebe sehr zwischen den Geschlechtern. Welche Unterschiede gibt es da wirklich?
Zum Beispiel beim Trennen von romantischen Gefühl &Sex.

Das ist ein weites Feld und die Meinungen gehen oft weit auseinander.
Untersuchungen aus Studien haben ergeben, dass es kaum Unterschiede gibt zwischen Männern und Frauen gibt, beim Trennen von romantischen Gefühlen und Sex. Wir haben so eine Bandbreite an unterschiedlichen Menschen, da gibt weniger Unterschiede zwischen den Geschlechtern, als uns die Gesellschaft oft glauben machen will.
Das wäre jetzt auch mein subjektiver Eindruck.

 

Ich erlebe oft, dass „Sex“ (Penetration) das Ziel, einer Begegnung, darstellt. Das empfinde ich manchmal als belastend und habe dann auf gar nichts mehr Lust.
Wieso sind wir so zielorientiert und wie können wir da auch andere Wege gehen?

Grundsätzlich erlebe ich dieses Ziel als nicht problematisch für viele. Meistens wünschen sich beide, dass am Ende eine innige und angenehme Penetration möglich ist, weil es eine noch tiefere Verschmelzung der Körper und der Seele bedeutet.
Allerdings kommt es zu Problemen, wenn ein Muss dahintersteht, genauso, wenn man einen Orgasmus(s) haben muss. Liebe und Sexualität sind Kinder der Freiheit.
Manchmal verhänge ich (mit Augenzwinkern) für Paare ein „Koitus-Verbot“. Alles andere ist aber erlaubt. Daraus entsteht oft eine neue Aufregung und Spannung, wieder zu entdecken, was sonst alles möglich ist und Spaß machen kann.

 

Wenn ich jemanden wirklich toll finde, charakterlich, vom Aussehen und dann passt es aber im Bett einfach nicht zusammen. Wie geht man mit dem Moment um, wenn die Magic auf einmal weg ist, beim ersten Kuss oder Körperkontakt. Macht es Sinn sich da gemeinsam anzunähern oder es einfach sein zu lassen?

Ich glaube es gibt schon ein gewisses Maß an Kompatibilität, sozusagen „für einander geschaffen sein“. Neben dem Aussehen oder dem Charakter gibt es auch noch Dinge, die uns anziehen. Wir verstehen noch nicht gänzlich, wie verschiedene Hormone oder Pheromone wirken und uns beeinflussen, wenn wir anziehend finden oder nicht. Wenn die Magie beim erstes Kuss oder weiteren Berührungen weg ist, dann glaube ich nicht, dass die später auf einmal kommt. Aber, wenn man sich trotzdem gut versteht, kann daraus ja eine schöne Freundschaft werden.

 

Wenn jemand eine Grenze überschreitet, wie spreche ich das am besten an?

Wichtig ist zu betonen, dass du das Verhalten und nicht die Person missbilligst.
Man kann z.B. sagen: „Ich möchte dir etwas sagen, dass mich beschäftigt, möchte aber betonen, dass es um dein Verhalten geht und nicht um dich als Person.“

 

Wie kann man jemandem auch ohne dem laut Stöhnen die nötige Sicherheit vermitteln, dass er gut im Sex ist? Einer Freundin von mir wurde gesagt sie sei zu leise. Sie hat aber trotzdem ihren Spaß, aber Männer, die sie nicht gut kennen sind dann verunsichert.

Nicht nur mit lautem Stöhnen kann man jemanden zeigen, dass es Spaß macht. Wenn man als Person präsent ist, Augenkontakt hat, mit einander spricht, auch mal lacht, dann merkt man eigentlich, ob die andere Person genießen kann. Auch da ist Kommunikation wichtig. Verbal, aber auch mit dem ganzen Körper.

 

Viele Frauen hatten noch nie einen Orgasmus und glauben das sie es einfach nicht können. Kann man es trainieren einen Orgasmus zu haben?

Tatsächlich ist es so, dass einige Frauen noch nie einen Orgasmus hatten. Doch normalerweise rein anatomisch kann jede Frau einen Orgasmus haben, wegen der Existenz der Klitoris. Psychologisch kommen da aber noch weitere Aspekte dazu. Wenn das „nicht haben eines Orgasmus“ nicht thematisiert wird, zieht sich das meistens über Jahre.

Trainieren kann man das vor allem durch Selbstbefriedigung und den eigenen Körper kennen lernen. Manchmal hängt es auch damit zusammen, dass sich eine Frau nicht fallen lassen kann durch Gewalterfahrung oder Missbrauch oder Angst vor dem Kontrollverlust hat, in dem Moment der Ekstase eines Orgasmus.
Hier kann man langsam daran arbeiten, sich selbst zu trauen, die Kontrolle abzugehen und sich verletzlich zu zeigen.

Wenn ich etwas Neues ausprobieren möchte? – Wie taste ich mich am besten ran?

Am besten erstmal den Partner fragen: Gibt es etwas, was du gerne ausprobieren möchtest?
Außerdem sollte man sich überlegen, welche Gründe dahinter stecken, etwas neues auszuprobieren. Macht man es, weil jemand anders davon vor geschwärmt hat und man das Gefühl hat, mithalten zu müssen oder fragt man, weil man wirklich einen Wunsch hat und neugierig ist. Wenn man weiß, warum man etwas ausprobieren will, ist es einfacher, das dem Partner zu kommunizieren.

 

Wie kann ich meinen Partner eröffnen,
dass ich eine offene Beziehung möchte oder polyamor bin?

Wenn das während der Beziehung aufkommt, kann man betonen, dass es auch für einen selbst ein Experiment ist. Wichtig ist offen zu besprechen, was man in der anderen Beziehung bekommt, was man vielleicht vermisst und versuchen, den Partner mit einzubinden in den Prozess. Es geht ja darum, gemeinsam etwas auszuprobieren.
Falls du das schon vorher weißt, am besten so früh, wie möglich mit offenen Karten spielen und vielleicht von bisherigen positiven Erfahrungen erzählen.

→ Hier findest du einen Blogposts über Polyamorie

 

Kannst du uns noch eine Übung erklären, die man gemeinsam oder alleine ausprobieren kann?

Ja gerne. Das ISS – ideales sexuelles Szenario.
Das mache ich mit vielen Paaren.
Jeder soll sein ISS aufschreiben. Wenn er ganz frei wäre und nur die eigenen Wünsche und Fantasien beachten soll, was würde dabei rauskommen. Jeder ist auch ganz frei, wie ausführlich oder in welcher Form er das aufschreibt.
Danach setzt man sich zusammen und entscheidet, was damit passiert.
Nur einer zeigt, oder liest vor, oder man liest es gegenseitig laut oder leise.
Oder es wird nicht offenbart und bleibt ein Geheimnis. Aber auch dadurch kann sich eine Dynamik verändert, z.B. das der Partner neugieriger wird.
Da gibt es verschiedene Möglichkeiten.

Willst du sonst noch etwas mit uns teilen?

Sexualität ist eine tolle Methode sich selbst lebenslang kennen zu lernen. Es ist ein Spiegel für uns. So lange der Mensch lebt, ist er ein sexuelles Wesen.
Wir entwickeln uns immer weiter und Sexualität kann etwas Tolles sein, dass uns viel über uns selbst zeigt.

 

 

Danke dir, Gerlinde, dass du dir Zeit genommen hast für das Interview.

Hier gehts zum ersten Teil.

 

Hast du dir schon das Video zu den „Five S of Sexuality“ angeschaut?
Trag dich hier in den Glücksletter ein und schau es dir an.

 

 

Gerne kannst du Kontakt mit Gerlinde aufnehmen:
Telefonnummer: 0172/6425555.
Oder du kannst bei der Praxis vorbei schauen:
Oeggstraße 3, 1 Stock
97070 Würzburg

 

Love,
Cosima

 

*  alle Formen von Personen, sind auf alle Geschlechter bezogen

 

 

Was wolltest du schon immer über Sex wissen? – Interview mit einer Sexualtherapeutin  Part II

Was wolltest du schon immer über Sex wissen? – Interview mit einer Sexualtherapeutin Part I

„Jungs, was wolltet ihr schon immer über Sex wissen?“

 

Gemeinsam sitzen wir am Küchentisch in unserer WG. Die beiden schauen mich an, überlegen und sagen doch erstmal nichts. „Na gut, ich les mal die Fragen vor, die ich schon habe.“
Nach dem ich also loslege, entsteht ein offenes, lustiges und interessantes Gespräch.
Wir finden viele Fragen, teilen Turn ons und Turn offs miteinander, überwinden uns bei manchen Themen, sie anzusprechen und regen uns auch über einiges auf.

Die Fragen habe ich gesammelt für das Interview mit Gerlinde Harth.
Danke auch an ein paar Leser*innen, die mir Fragen geschickt haben.
Gerlinde ist Sexualtherapeutin in Würzburg und hat ihre Ausbildung
dazu am Institut für Beziehungsdynamik in Berlin gemacht.

 

Hallo liebe Gerlinde, schön, dass du dir Zeit nimmst für mich und die Fragen.
Legen wir gleich los:

Ich habe das Gefühl, wir haben fest gefahrene Bilder und Meinungen über Sex.
Welches Bild wird durch die Gesellschaft und die Medien vermittelt?

 

Meine erste Assoziation dazu ist, dass das Bild in unserer Gesellschaft ist: Jeder muss Sex haben.
Das ist mir aufgefallen, als ich eine Patientin hatte, die sich als asexuell definiert. Sie selbst findet das normal und hat kein Problem damit. Doch ihr soziales Umfeld kann das nicht verstehen und glaubt es stimmt etwas nicht mit ihr.
Das ist das Tabu der heutigen Zeit: keinen Sex zu haben.

Das Bild von Sex in der Gesellschaft verändert sich jedes Jahrzehnt. Während es letztes Jahrhundert noch ein Tabu war, Sex zu haben, ist es heute andersrum.

Doch es kommt auch sehr darauf in welcher Schicht, Kulturkreis oder Region man aufwächst und lebt. Große Unterschiede gibt es zwischen Stadt und Land. Während z.B. das Transvestitentum in Berlin seine Szene hat, gilt das in ländlichen Regionen immer noch als Skandal.
Auch bei den Generationen gibt es einen großen Unterschied. Meine Eltern z.B. wurden kaum bis gar nichts aufgeklärt und die Frauen waren „auf einmal“ schwanger und haben es oft erst spät gemerkt. Vor allem mit der Einführung der Pille in den 60iger Jahren hat sich einiges verändert in Bezug auf Sexualität und der Dynamik zwischen Mann und Frau.

 

Du bist Sexualtherapeutin. Was macht man als solche und wie arbeitest du?

Ich orientiere mich immer daran, mit was für Anliegen der Patient kommt. Ich habe keine Standardmethode. Es kommt darauf an, ob der Patient mit einer Depression kommt und der sexuelle Bezug, nur ein Teil davon ist. Oft sind Probleme mit der Lust, eine Auswirkung von anderen Probleme oder Belastungen. Ähnlich wie bei Schlafstörungen, die von Stress kommen können.
Ob die Therapie dann einzeln erfolgt oder eine Paartherapie sein wird, lasse ich den Patienten entscheiden.

 

Mit welchen Problemen und Anliegen kommen die Menschen zu dir?

Männliche Patienten kommen oft mit Erektionsstörungen. Eher selten, wegen vorschnellem Orgasmus. Wichtig ist dabei, die Partner*in mit einzubeziehen. Denn oft sind Erektionsprobleme eine Folge von Problemen in einer Beziehung. Manchmal arbeiten wir auch mit Urologen zusammen und die Therapie kann medikamentös unterstützt werden.
Erektionsstörungen werden meistens als Versagen wahrgenommen. Das kann zu höher psychischer Belastung und Depression führen. Da beginnt ein Teufelskreis, weil sich das gegenseitig wieder bedingt.
Auch bei den jeweiligen Partner*innen führt das zu Zweifel und Gedanken, wie „Er will mich nicht.“
Wenn das über einen längeren Zeitraum geht, kann das große Spannungen in einer Beziehung auslösen, vor allem wenn darüber geschwiegen wird.

Viele Frauen kommen mit Luststörungen. Auch hier ist es so, dass es ganz unterschiedliche Gründe dafür geben kann. Probleme in der Beziehung, Stress oder ein gering ausgeprägtes Körpergefühl.
In vielen Fällen wir eine Luststörung als „gegeben“ angesehen und mit einer „das ist halt so“ Mentalität angenommen.
Erst nach Jahren merken, viele Frauen, dass sie ihr Lustempfinden eigentlich doch vermissen und wollen dann wieder daran arbeiten.

Inzwischen habe ich auch einige Frauen als Patientinnen, mit Missbrauchserfahrungen. Sie haben oft Angst vor Körperkontakt oder Penetration und gleichzeitig eine Sehnsucht danach, sich wieder nah und geborgen zu fühlen. Dort ist der Fokus dann auf einer Angsttherapie, sich langsam wieder ran tasten an den Körperkontakt und das Eindringen, erst einmal von einem Selbst mit einem Finger oder Dildos. Das sind dann quasi „Hausaufgaben“, die wir zusammen in den Sitzungen besprechen und die Patienten dann zuhause ausprobieren.

Eher selten kommen Menschen zu mir mit speziellen sexuellen Neigungen oder Orgasmusstörungen.
Kommt aber auch mal vor.

 

 

Viele schieben die Schuld an mangelndem Lustgefühl ihrem Partner zu. Ich habe gemerkt, dass auch viel Arbeit bei mir selbst liegt und ich mich mit meinem Körper auseinandersetzten muss.
Wie kann man damit anfangen, sich mit sich selbst und seiner Sexualität zu beschäftigen?

Den eigenen Körper kennen zu lernen ist ein wichtiger Teil für eine ausgelebte Sexualität. Da gibt es ganz unterschiedliche Wege, z.B. etwas lesen oder Filme schauen. Doch am Ende lernt man sich selbst am besten kennen, wenn man sexuell aktiv ist (alleine und mit anderen), experimentierfreudig bleibt und offen über Erfahrungen und Wünsche spricht.

Man kann ausprobieren z.B. mit offenen Augen durch einen Sexshop zu gehen und zu schauen, was einen interessiert oder neugierig macht oder dann merken, dass das überhaupt nichts für einen ist. Auch das ist komplett in Ordnung.
Auch ohne Partner kann man den eigenen Körper entdecken, sich massieren oder streicheln. Jegliche Art von Körperarbeit stärkt die Verbindung zum eigenen Körper. Fragen, die man sich immer wieder stellen kann, sind:
Wann fühle ich mich wohl? Wann gibt es ein Lustgefühl und was turnt mich eher ab?

 

Ab wann spricht man von einer „sexuellen Störung“,
z.B. Erektions- oder Orgasmusstörung?

Es gibt von der ICD einen Diagnosekatalog, in dem Diagnosekriterien stehen,
wann man von einer bestimmten Störung spricht.
Die Frage ist immer, wie der Patient, die Situation erlebt. Erst wenn es einen Leidensdruck und ein Behandlungsbedürfnis gibt, kommt ein Patient in die Therapie.

 

Schleim, Blut, Körperflüssigkeiten, Haare,…

Oft wird das als „eklig“ bezeichnet. Doch es gehört genauso zu unseren Körpern. Warum finden wir das eklig?

Ich erlebe eigentlich selten, dass das jemand eklig findet.
Sobald ein Gefühl der Lust dem anderen Gegenüber dazu kommt, empfinden wir das nicht als eklig.
Dann gehört es, wie du sagst dazu.

 

Kommunikation macht einen großen Unterschied.
Wie kann ich meine Wünsche ausdrücken und meinem Gegenüber unterstützen,
zu sagen, was er möchte?

Kommunikation ist auf jeden Fall ein wichtiger Teil. Nicht nur im sexuellen Kontext. Hier gibt es verschiedenen Methoden, um seine Wünsche zu äußern. Ganz klassisch Ich-Botschaften benutzen, und die eigenen Gefühle beschreiben. Das setzt natürlich ein gewisses Maß an Selbstwahrnehmung voraus. „Ich wünsche mir, …“
Im Streit kann es auch mal zu ganz anderen Äußerungen kommen. Am Ende ist es hilfreich, wieder zurück zu sich zu kommen und deutlich zu machen, so wollte ich das eigentlich nicht ausdrücken, eigentlich habe ich gemeint, dass,…

 

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich mich erstmal selbst wohlfühlen muss in meinem Körper, so dass ich Kontakt und Berührungen mit anderen Menschen wirklich genießen kann. Wie siehst du das und wie kann man sich selbst mehr mit seinem Körper anfreunden?

Das macht einen großen Unterschied. Am Anfang jeder Therapie erstellen wir eine „sexuelle Landkarte“.
Ein Bereich ist die Selbstwahrnehmung und das Körpergefühl.

Muss ich mich z.B. immer wieder von mir selbst überzeugen? Bin ich empfindsam und verletzlich?
Habe ich Glaubensätze, wie: ‚Ich muss perfekt sein, um geliebt zu werden?’
Solche Haltungen erschweren es sich fallen zu lassen und zu genießen.

Mit Zeit, unterschiedlichen Partnern und Erfahrungen kann man auch an seinem Selbstbildarbeiten. Doch nicht nur im sexuellen Kontext kann sich die Selbstwahrnehmung verändern. Wenn du z.B. in anderen Bereichen deines Lebens Erfolg hast oder neues Selbstbewusstsein bekommst, wirkt sich das auch auf deine Sexualität aus.

 

 

Danke dir, liebe Gerlinde. Das war der erste Teil des Interviews.
Wir haben noch zehn weitere Fragen mit spannenden Antworten.
Die findest du nächste Woche auf cusilife.

 

Hast du dir schon das Video zu den „Five S of Sexuality“ angeschaut?
Trag dich hier in den Glücksletter ein und schau es dir an.

 

 

 

Gerne kannst du Kontakt mit Gerlinde aufnehmen:
Telefonnummer: 0172/6425555.
Oder du kannst bei der Praxis vorbei schauen:
Oeggstraße 3, 1 Stock
97070 Würzburg

 

Love,
Cosima

*  alle Formen von Personen, sind auf alle Geschlechter bezogen