Foto - Composite by Marc Seestaedt
14. Februar - der Tag der Verliebten.
Für mich - der Tag der Liebe.
Eigentlich wie jeder andere Tag. Ich hatte an diesem Tag ein Lunchdate mit Olivia, einer lustige, schönen Frau, die mich oft zum Lachen bringt und mein Herz erwärmt. Wir waren also beim Mittagessen in Berlin Mitte. Das instagramwürdig angerichtete Esse haben wir nicht fotografiert, aber einen kleinen Schnappschuss mit der inneren Kamera gab es schon. Ich musste nach Hause und sie musste wieder in die Arbeit. Sie hat mich noch zur Ubahn gebracht. Wir laufen in Richtung des blauen, großen Schild mit dem "U" drauf, als ich ihr sage, wie gerne ich Zeit mit ihr verbringe und dass ich finde sie ist ein wirklich schöner Mensch.
Wir küssen uns zum Abschied. Ich muss lächelen, als ich dieses wunderschöne, weiche Gesicht ganz Nah an meinem habe.
Eine Frau mit einem kleinen Kind im Kinderwagen geht an uns vorbei. Sie hält an, kommt auf uns zu und sagt, dass unsere Küsse sehr schön waren . . .
Mein erster Gedanke - oh wow, eine andere Frau möchte uns sagen, dass sie es toll findet, dass wir (zwei Frauen) uns auf der Straße küssen.
Ein paar Sekunden vergehen.
Dann ändert die Frau ihren Gesichtsausdruck.
"Warum müsst ihr das auf der Straße machen?"
Olivia und ich standen da. Ich wusste nicht, was ich sagen soll. Olivia fragte, warum wir uns denn nicht auf der Straße küssen sollten? Die Frauen wiederholten sich nur immer wieder: "Ihr seid zwei schöne Frauen. Warum küsst ihr euch auf der Straße?" Sie schüttelte den Kopf und ihr Gesicht drückte (wie ich es beschreiben würde) aus, dass sie angewidert ist. Ich stand ganz still da. Ich wusste nicht, was ich antworten oder tun sollte. Die Frau ging zurück zu ihrem Kinderwagen, wo das Kind die Situation beobachtete. Sie ging weiter.
Olivia und ich fingen an zu lachen. Halb amüsiert, halb schockiert. Ich küsste Olivia. Leidenschaftlicher als davor, weil ich es kann. Und weil es unsere Entscheidung ist, ob wir uns in der Öffentlichkeit küssen oder nicht!
Trotzdem. Mich hat ein komisches Gefühl beschlichen als ich in die U-Bahn einstiegen bin.
Einerseits habe ich einen FUCK YOU VIBE in mir aufkommen gespürt. Ich kann küssen, wen ich will, wann ich will und wo immer ich will. Deine verfickte Meinung über zwei Frauen, die sich küssen, stört mich nicht. Naja - offensichtlich tut es das doch. Aber das ist nicht der Punkt.
Es tut weh.
Es tut weh, dass jemand stehen bleibt, weil ich eine andere Person küsse. Und nicht nur stehen bleibt, sondern uns unterbricht, um zu fragen, warum wir das auf der Straße tun müssen?
Die Frau hat mehrmals wiederholt, was für hübsche Frauen wir seien.
Danke?!
Und warum nochmal ist das relevant? - Es klang so, als es ob es noch schlimmer wäre, eine Frau zu küssen, obwohl wir hübsch sind. (Das ist jetzt meine Interpretation. Ich weiß natürlich nicht, was sie damit gemeint hat. Wir könnten Männer küssen, also warum sollten wir Frauen küssen?)
Es tut weh. Es erinnert mich daran, dass es selbst im offenen Berlin Menschen gibt, die nicht finden, es sei oder sollte normal sein, wenn sich zwei Frauen auf der Straße küssen. Solche Situationen sind mir bisher eher selten passiert. Meistens ist meine Queerness, meine Offenheit, mein poly sein, meine Sex-Positivität etwas, was Leute an mir mögen, bewundern oder sich sogar inspiriert fühlen.Inzwischen bringen mich solche Situationen nicht mehr groß aus dem Takt. Ich frage mich danach nicht, bin ich eigentlich okay und normal so?!
Aber es regt mich doch zum Nachdenken an. Und dieses Mal hat es mich motiviert diese Worte zu schreiben.
Denn ich will meine Stimme nutzen!
Was habe ich gemacht nach diesem Vorfall? - Als ich zuhause war, habe ich meine Mama angerufen. Ich habe ihr davon erzählt, was passiert ist.
Ein Teil von mir wollte, dass mich meine Löwenmama vor der Welt beschützt. Und ein Teil von mir wolte einfach an den Ort und zu der Person gehen, die mich immer liebt und so akzeptiert, wie ich bin. Und ich weiß, dass für viele queere Menschen die eigenen Eltern sind, was diese Frau für mich war. Die eigene Familie oder das eigenen Umfeld sind die, die einem das Gefühl geben nicht okay zu sein, so wie man ist.
Als ich als Teenager meine Sexualität entdeckt habe und damals schon Gedanken zu offenen Beziehungen und Polyamorie hatte, hätte ich mir Vorbilder gewünscht. Ich hätte mir gewünscht, dass es andere Mädchen gibt, zu denen ich aufschauen kann. Andere Mädchen die "out and proud" sind. Also offen zu ihrer (nicht hetero) Sexualität stehen.
Jetzt bin ich sebst in der Situation so offen darüber zu sein, wie ich möchte. Und weil ich weiß, dass das für viele (noch) nicht möglich ist, ist es mir besonders wichtig. Für mehr Sichtbarkeit und Unterstützung von queeren Menschen!
Here I am - out and proud!
Weil ich nicht verheimliche möchte wer ich bin und wie ich lebe.
Ich liebe alle Geschlechter. Ich liebe es, polyamor zu leben. Und nicht weil es besser ist ( es geht nicht darum etwas zu vergleichen).
Ich liebe es, weil es das ist, was ich möchte!
Ich bin dankbar, dass sich in den letzten Jahrzehnten unglaublich viel gewandelt hat, so dass ich heute so leben kann, wie ich es tue!
Mein Leben ist so viel freier, selbstbestimmter und unabhängiger als es je zuvor (als Frau) möglich war. (Little reminder: Bis in die 60iger durften Frauen in Deutschland kein eigenens Bankkonto eröffnen.)
Danke, an alle die diesen Weg bereits gegangen sind.
Jetzt ist es an der Zeit diesen Weg weiterzugehen!
Weil jeden Tag, Tag der Liebe ist!
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