*Dieser Text ist als Feature für ein Uniseminar entstanden. Daher ein etwas anderer Schreibstil als sonst. Enjoy.
Die Onlineplattform Facebook verschärft ihre Richtlinien.
Seit Oktober gelten neuen Regeln für sexuelle und erotische Inhalte. Auf der Plattform ist nun alles verboten, was „zur sexuellen Kontaktaufnahme zwischen Menschen dienen sollen“. Damit sind auch Inhalte mit Bezug zu BDSM, Tantra, Massagen oder erotische Tänze etc. gemeint. Für viele Blogger, Künstler, Sexworker und Sex-educator eine große Veränderung mit Folgen.
Facebook möchte mit den neuen Richtlinien „Transaktionen verhindern, die möglicherweise Menschenhandel, Nötigung und nicht einvernehmliche sexuelle Handlungen beinhalten.“
So steht es in den neuen Richtlinien, die jeder Nutzer einsehen kann. Das solche Transaktionen ein großes Problem darstellen bestreitet niemand. Doch die Herangehensweise alle Inhalte zu verbieten, die sexuellen Kontext zeigen, bleibt fragwürdig. Denn hinter einem ganzheitlichen Verbot steht die Annahme, dass jede Form von Prostitution unfreiwillig geschieht. Facebook vermischt Menschenhandel und erzwungene Prostitution mit einvernehmlichen sexuellen Handlungen, und der weitgefächerten Erotikszene.
Auch die politische, wie künstlerische Auseinandersetzung mit den Themen Sex und Erotik werden eingeschränkt.
Derzeit wird im Internet darüber diskutiert, was für Folgen diese neuen Richtlinien haben und wie man sichergehen kann gegen Menschenhandel vorzugehen, ohne alle Formen von Prostitution und Sexualität zu untergraben.
Luna arbeitet in der Adultindustry.
So bezeichnet man den Geschäftszweig, der sexuelle Unterhaltung und Dienstleistungen für Erwachsene umfasst. Außerdem ist sie in der Conscious Sexuality Szene aktiv. Eine Bezeichnung, die vor allem auf Faceboon immer mehr Bedeutung bekommt. Gemeint ist damit die Szene, die sich bewusst und aktiv mit ihrer Sexualität auseinandersetzten und über den eigenen Körper lernen möchte. Stripshows, Shibari (japanische Seilkunst) und Workshops zu Sexualität sind Teile von Lunas Arbeit.
Facebook ist eine der Plattformen, wo sie über ihre Arbeit informiert, wirbt und einen Beitrag zu einer sex-positiveren Gesellschaft leisten möchte.
Sie erzählt, dass seit den neuen Regeln auf Facebook viel Unklarheit herrscht, was noch erlaubt ist und was nicht.
Accounts von Kolleginnen von ihr wurden schon gesperrt, falls diese sinnliche Bilder von Frauen hochgeladen haben, die eigentlich auch ein positiven Umgang mit dem eigenen Körper anregen sollen. Manche verlieren dadurch einen großen Teil ihres Geschäfts und erreichen deutlich weniger Kunden. Lunas Account wurde noch nicht gesperrt, allerdings viele ihrer Posts und Werbeanzeigen für ihre Workshops, wie zum Beispiel zu einem sinnlichen Abend unter Frauen.
„Die neuen Regeln auf Facebook sind sehr vage formuliert. Alles was ich mache, könnte so interpretiert werden, dass es gegen die neuen Richtlinien verstößt. Es ist unmöglich, nie etwas zu posten, was kontrovers ist oder unterschiedliche Meinungen aufwirft. Menschen können meine Inhalte sehr unterschiedlich verstehen. Und ob sich jemand angegriffen oder missverstanden fühlt, liegt oft nicht am Post selbst, sondern daran, wie jemand etwas verstehen möchte. Selbst auf expliziten erotisch ausgerichteten Plattformen, wie Fetlife kommt es zu Missverständnissen.“
Für sie ist es wichtig, dass weiterhin Dialoge geführt werden und man nicht immer Angst haben muss einfach gesperrt zu werden.
„Das Ganze führt zu einer Art innerem Filter. Ich bin ängstlicher und denke mehr darüber nach, was ich poste.“
Tumblr, eine andere beliebte Onlineplattform, zieht nach und hat Anfang Dezember angekündigt keine sogenannten NSFW-Inhalte mehr zuzulassen. NSFW steht für „not safe at for work“ oder auf deutsch „nicht zur Ansicht bzw. Verwendung am Arbeitsplatz geeignet“. Genauer bezieht sich Tumblr auf sog. adult content. Es gibt seit 17. Dezember keine pornographischen oder sexuellen Inhalte mehr auf Tumblr.
Subkulturen zu bewusster Sexualität, Fetischen, feministische Pornoindustrie und auch die LGBTQ Community konnten sich durch Soziale Medien vernetzten und austauschen.
Teile von diesem Austausch werden mit den neuen Regelungen komplett eingestampft. Inzwischen dürfen zumindest wieder stillende Mütter und aus Protest offenbarte nackte Frauenoberkörper gezeigt werden.
Facebook sagt in den Richtlinien verboten sind „Inhalte (von Hand gezeichnet, digital oder echte Kunstobjekte), die explizite sexuelle Handlungen oder eine bzw. mehrere anzüglich positionierte Person(en) zeigen oder zu zeigen scheinen.“ Genauso wie „Pornografische Handlungen, Stripclub-Shows, Live-Sex, erotische Tänze. Sexuelle, erotische oder tantrische Massagen.“
Um eine Kultur der gesunden Sexualität und Vielfalt zu fördern muss es möglich sein über Körper, Nacktheit, sexuelle Orientierung, Fetische und all das zu sprechen.
Luna erzählt: „Ich werde wütend, wenn ich Werbeanzeigen für Clubs oder Dating Apps sehe, die eine Flirt- und Saufkultur darstellen, die nichts mit Respekt oder Bewusstem Umgang mit Sexualität zu tun hat. Mädchen in Bikinis, die sich betrinken sind erlaubt, aber wenn ich mit meiner Arbeit etwas für Frauenempowerment machen möchte, ist das verboten? Meine Werbeanzeige für einen sinnlichen Frauenabend wurde gelöscht. Das ist doch absurd. Wir brauchen eine Möglichkeit, um zwischen Content zu unterscheiden, der sich auf sex – und bodypositvity bezieht.“
Eine Möglichkeit wäre, dass es eine 18+ oder „not for work“ Markierung gibt für individuelle Posts oder ganze Seiten. So könnten Menschen selbst entscheiden, ob sie solche Inhalte herausfiltern möchten oder nicht.
Es gibt bereits einen Warnhinweis, allerdings um den Betrachter daraufhinzuweisen, dass der Inhalt möglicherweise "verstörend" sein könnte. Ich verstehe, dass Facebook hier versucht Menschen zu schützen und es gibt bestimmt viele gute Intentionen dahinter. Gleichzeitig werden hier Gruppen und Themen weiter marginalisiert. Hier ist ein Interview von Netzpolitik und Facebook zum Nachlesen. Das ganze Thema ist nicht leicht und nach meiner Recherche habe ich erst gemerkt, wie verwoben das Thema Regulierung von Sozialen Plattformen ist.
Daher ist dies alles nur ein kleiner Versuch ein wenig mehr davon zu verstehen.
Die neue Cartoonserie „Big Mouth“ auf Netflix hat auf Facebook einen Auschnitt aus der ersten Staffel hochgeladen. In der Serie geht es um Pubertät und das Entdecken von der eigenen Sexualität. Im Video sind verschiedene weibliche Körperformen und -farben in jedem Alter zu sehen. Das Video „I love my body“ wurde auf Facebook gesperrt. Obwohl es meiner Meinung nach gerade aufzeigt, wie schwierig es für Teenager in der Pubertät ist mit den Veränderungen des eigenen Körpers umzugehen und es hilfreich sein kann einen offenen Umgang damit zu lernen. Auch wenn Facebook in seinen Richtlinien explizit Inhalte erlaubt, die auf Bildung oder Wissenschaft ausgerichtet sind, ist es sehr fraglich, wie Inhalte bewertet werden. Wie man an diesem Beispiel sehen kann.
Facebook bezieht sich in den neuen Richtlinien aber nicht nur auf öffentliche Seiten, sondern auch auf persönliche Chats.
Anspielung oder Sexualisierter Slang verstoßen gegen die Richtlinien.
Inwieweit sich die neuen Richtlinien wirklich auf private Chats und geheime Gruppen auswirken ist noch nicht ganz klar. Oft höre ich, Facebook sei bei der jungen Generation eh tot. Ich persönlich nutze Facebook von allen Sozialen Medien am meisten. Und bin wirklich gespannt, wie es weiter geht.
Schließlich sind Soziale Medien keine abgekapstelten digitalen Plattformen. Inzwischen sind sie ein Teil unseres Lebens (ob wir das gut finden oder nicht). Wie wir mit Sexualität und wichtigen politischen Fragen auf Sozialen Plattformen umgehen kann uns auch einen Spiegel vorhalten, wie wir im "echten" Leben damit umgehen.