Mit 16 habe ich angefangen mich vegetarisch zu ernähren. Meistens musste ich das irgendwie kundtun.
„Mich outen“.
Auf jeder Grillparty, bei jedem Geburtstag aufs Neue: „Ich esse kein Fleisch.“
Nach und nach wusste es dann jede*r, der mich kannte.
Von Coming Out spricht man eigentlich, wenn eine Person ihre sexuelle Orientierung offenbart, im Fall, wenn sie nicht heterosexuell ist. Oft wird dieses Coming Out als ein einmaliges Event gesehen. Ich habs einmal gesagt und jetzt weiß die Welt, ich bin nicht hetero.
Coming Out ist aber ein Prozess, ein sich „immer wieder aufs Neue“ outen.
Nicht weil die Menschen, denen man es gesagt hat, es vergessen (manchmal vielleicht auch).
Sondern weil man immer wieder in neuen Situationen, mit neuen Menschen ist.
Coming Out wird oft nur auf sexuelle Orientierung bezogen. Es lässt sich aber auch auf Beziehungsformen übertragen, die nicht mit der Norm (bei uns monogam) übereinstimmen, wie z.B. eine offene Beziehung oder mehrere Partner*innen zu haben.
Polyamorie bedeutet mehrere romantische und/oder sexuelle Beziehungen mit dem Wissen und Einverständnis aller Beteiligten zu haben.
Letzte Woche habe ich in der S-Bahn einen Bekannten getroffen. Wir waren eine zeitlang ganz gut befreundet und habe uns dann aus den Augen verloren.
Wir quatschen ein bisschen.
Er erzählt mir, dass er einen neuen festen Freund hat und fragt mich:
Und hast du gerade jemanden?
Ich möchte offen sagen, ja, ich habe zwei feste Freunde und naja manche Beziehungen, die ich habe, lassen sich nicht labeln oder beschreiben. Bevor ich etwas sagen, läuft in meinem Kopf ein innerer Dialog ab. Wie viel möchte ich von mir offenbaren?
Nicht-monogame Beziehungen. Dieser Ausdruck umfasst alle Formen und Abstufungen der Beziehungen, die nicht monogam, also nicht exklusiv nur mit einem Partner*in sind. Darunter fällt auch eine offene Beziehung & Beziehungsanarchie.
Ich könnte natürlich einfach sagen, ja ich habe wen.
Das ist nicht gelogen.
Und trotzdem fühlt es sich nicht ganz ehrlich an. Gleichzeitig möchte ich meine Beziehungsform auch nicht immer thematisieren.
Diese Situationen gibt es immer wieder.
Wenn ich näher mit jemanden ins Gespräch komme und erzähle, wie ich l(i)ebe, werde ich oft mit Fragen und Vorurteilen konfrontiert. Oft mit Interesse, manchmal auch mit Unverständnis und Verurteilung.
Diese habe ich in letzter Zeit mal gesammelt. Ich habe andere Polys gefragt, welche Vorurteile und Fragen ihnen am häufigsten begegnen.
Und wir wollen mal sehen, was da dran ist 😛
Die 10 häufigsten Vorurteile über nicht-monogame Beziehungen und was wirklich dran ist
#1 - Es geht nur um Sex.
Polyamorie ist ein Kunstwort. Es setzt sich zusammen aus griech. poly für viel/vielseitig und lat. amore, was Liebe bedeutet.
Viele lieben. Es geht also nicht nur um Sex, sondern um Liebe. Natürlich kann man nicht nur von einem Wort das Wesen, was es beschreiben soll, ableiten.
Es gibt oft ein Missverständnis darüber, dass man nur eine Person lieben kann, aber mit mehreren Menschen Sex haben. Deswegen wird oft bei dem Gedanken an mehrere Beziehungen daran gedacht, dass es dann nur um Sex gehen kann. Polyamorie richtet sich aber auf langfristig orientierte Beziehungen aus.
Bei einer offenen Beziehung git es eine Hauptbeziehung und man darf Sex mit anderen Personen haben. Bei der Beziehungsanarchie verschwimmen verschiedene Formen von Beziehung und es gibt oft keine Labels. Diese drei Formen können sich natürlich auch überschneiden und sind nicht statisch oder unbedingt voneinander getrennt. Das ist jetzt in aller Kürze formuliert, um einen Eindruck zu geben.
So wie ich nicht-monogame Formen der Liebe erlebe, geht es um Ehrlichkeit, Offenheit, Anerkennen von Bedürfnissen, Transparenz und viel viel viel Kommunikation.
#2 - Wenn man mehrere Beziehungen hat, kann man keine Intimität aufbauen.
Intimität bedeutet für viele Menschen, (sexuell) exklusiv miteinander zu sein. Bestimmte Dinge nur mit einer Person zu teilen. Es gibt allerdings sehr viele verschiedene Formen von Intimität.
Die Basis von Verbindung und Intimität ist Verletzlichkeit.
Wenn du dich vor einer anderen Person verletzlich zeigst, fühlt sich das intim an. Das kann emotionale Verletzlichkeit sein, in dem du deine Gefühle zeigst oder körperliche Intimität, z.B. sich vor einer anderen Person umziehen oder vor ihr pinkeln.
Für mich bedeutet Intimität mich angenommen und akzeptiert zu fühlen, ehrlich sein zu dürfen.
#3 - Menschen, die polyamor leben sind nicht eifersüchtig
Wie alle anderen Menschen sind auch Polys mal eifersüchtig. Manche mehr, manche weniger.
Eifersucht ist aber auch nur ein Gefühl. Es vergeht wieder.
Menschen, die sich mit der Idee der Polyamorie beschäftigen, wissen, sie müssen sich mit ihrer Eifersucht auseinandersetzten. Sie kann uns unsere Bedürfnisse genauer zeigen.
Warum bin ich gerade eifersüchtig?
Was steckt dahinter?
Wir können in uns reinfühlen und sehen, was wir gerade brauchen. Und dann können wir mit unseren Partner*innen darüber kommunizieren. Eifersucht muss nicht unterdrückt werden.Ich habe gemerkt, wie gut es tut, mir selbst zu sagen, es ist ok auch mal eifersüchtig zu sein. Ich muss daran nichts ändern. Es ist wichtig auf einander zu achten. Wenn es bestimmte Situationen gibt, die beim anderen unangenehme Gefühle auslösen, kann man gemeinsam schauen, wie man in Zukunft damit umgeht. Der Gedanke „Wir machen das zusammen. Du bist nicht alleine mit der Eifersucht.“ hat mir sehr geholfen damit umzugehen.
#4 - Polyamorie ist die Erlaubnis zum Betrügen.
Betrügen wird gleichgesetzt damit, Sex mit einer anderen Person außerhalb der Beziehung zu haben.
Was heißt „sich betrügen“ aber eigentlich?
Man bricht eine Vereinbarung, die man gemeinsam getroffen hat. Wenn man in einer exklusiv monogamen Beziehung ist und dann Sex mit jemand anderen hat, dann bricht man eine Vereinbarung.
Wenn man in seinem nicht-monogamen Beziehungsmodell miteinander vereinbart hat, dass man Sex mit anderen Menschen haben kann, dann ist das eine Vereinbarung, die man bewusst mit einander macht.
Natürlich können auch in einer Polybeziehung Vereinbarungen gebrochen werden. Meiner Erfahrung nach wird das aber selten „betrügen“ genannt. Ich denke, es geht darum herauszufinden, warum das passiert ist und zu sehen, welche Bedürfnisse dahinter stehen und wie man in Zukunft mit der Vereinbarung umgehen will. Ansprüche an Vereinbarungen können sich über die Zeit auch ändern und vielleicht merkt man, dass man die Vereinbarung ändern möchte.
Am Anfang der Beziehung zu einem meiner Partner waren die Vereinbarungen viel klarer und wichtiger. Wir mussten uns erstmal eintunen, sehen was wichtig für uns und unsere Beziehung ist. Vereinbarungen sind immer noch wichtig, aber wir kennen uns schon viel besser und können in bestimmten Situationen besser auf einander eingehen.
#5 - Wenn du jemanden wirklich liebst, möchtest du keine weitere Beziehung.
Wenn du dein Kind wirklich liebst, dann willst du kein zweites. Nach dieser Logik dürfte niemand mehr als einen Menschen, egal in welcher Form lieben.
Liebe muss sich nicht auf eine Person beschränken. Wir lieben viele Menschen in unserem Leben. Nicht alle auf romantische Weise, aber es ist trotzdem Liebe.
Wir erwarten, dass eine Person alle unsere Bedürfnisse erfüllt. Das ist aber sehr unwahrscheinlich und kann großen Druck auf eine Beziehung legen. Es kann sehr befreiend seien anzuerkennen, dass eine Person nicht „perfekt“ sein muss für uns. Sie muss nicht alles erfüllen, was wir uns im Leben wünschen.
Wir können sie aber trotzdem lieben, begehren und in unserem Leben haben wollen.
Natürlich kann es sein, wenn man sich neu in jemanden verliebt, dass diese Person viel Raum einnimmt und man gerade weniger interessiert ist an anderen Menschen. Das nennt man auch NRE - New Relationship Energy.
Ich habe es einerseits als aufregend und bereichernd empfunden, gleichzeitig frisch verliebt sein zu können und diese Vertrautheit und Geborgenheit in meiner anderen Beziehung zu spüren. Und andererseits war das vor allem am Anfang sehr überwältigend und überfordernd.
#6 - Polyamorie heißt keine Sicherheit miteinander zuhaben
Als ich mit meinem Freund zusammen kommen bin, habe ich das sehr oft gehört. Wünscht du dir nicht mehr Sicherheit?
Ich war ziemlich überrascht davon. Für mich hat es sich so sicher, wie noch nie davor mit jemanden angefühlt.
Polyamorie wird manchmal damit verwechselt keine festen Beziehungen mehr zu haben.
Es geht darum langfristige, romantische Beziehungen aufzubauen und das geht nur mit Vertrauen, Verantwortung und Ehrlichkeit.
Ich fühle mich sicher in meinen Beziehungen, weil ich weiß, dass wenn meine Partner jemand anderen kennen lernen, dann ändert das erstmal nichts an unserer Beziehung. Und falls jemand mehr Raum im Leben meiner Partner einnimmt, dann weiß ich das ich informiert werde. Ich bin mit meinen Bedürfnissen und Gefühlen im Prozess dabei. Und natürlich garantiert das auch nicht, dass wir für immer zusammen bleiben.
#7 - Wenn polyamore/offene/… Beziehungen zu Ende gehen, liegt es am Modell.
Stelle dir vor du bist in einer monogamen Beziehung. Sie geht zu Ende und dann sagt jemand zu dir: Hat wohl doch nicht so geklappt mit der Monogamie?
Das klingt komisch oder?
Und so fasse ich es auch auf, wenn jemand das Ende einer Beziehung am Modell (egal welches) fest macht.
Es gibt kein Modell, das für immer zusammen bleiben garantiert. Beziehungen gehen nun mal auch zu Ende. Wir sehen dies oft als Scheitern an. Doch manchmal verändert man sich und die Beziehung, die man hat passt nicht mehr zu einander.
Das heißt aber nicht, dass es am nicht-monogam sein liegt.
#8 - Polyamor leben ist nur eine Phase.
Tricky.
Polyamor sein ist eine Phase? - Ja und Nein.
Ich denke es gibt immer Phasen im Leben. Man probiert Dinge aus. Manche davon begleiten uns länger und andere nicht. Das kann man vorher nicht wissen.
Die Aussage es ist nur eine Phase, beruht auf der Annahme Polyamory ist eine Spinnerei und irgendwann hat man sich ausgesponnen und wird „normal“, wie alle anderen.
Und das stimmt nicht. Es gibt Polykonstellationen, die seit Jahrzehnten zusammen sind.
#9 - Mit Kindern geht das nicht.
Ich habe selber keine Kinder und kann daher nicht aus Erfahrung sprechen. Weiß aber von anderen Familien, dass es auch mit Kindern klappen kann.
"Polyamorie ist eine Idee, so zu leben, dass Kinder mit Vater und Mutter zusammen bleiben können, weil diese sich nicht trennen müssen, wegen anderen Partnern. Gerade durch die heute so verbreitete sukzessive Monogamie werden viele Familien auseinander gerissen. Mein Sohn z.B. lebt mit beiden Eltern unter einem Dach, obwohl wir uns als Mann und Frau schon getrennt haben. Der gemeinschaftliche Aspekt, der im polyamoren Lebensentwurf mitschwingt, ist der Versuch, eine Antwort zu geben, wie Familien neuer Prägung aussehen können.
Unsere Kinder haben im Übrigen kein Problem damit, dass ihre Eltern offen lieben. Sie interessieren sich gar nicht so besonders dafür; wenn überhaupt, finden sie es interessant. Bei unseren befreundeten Gemeinschaften, deren Kinder schon erwachsen sind, habe ich auch keine unangenehmen Auffälligkeiten bemerken können: die Kinder sind selbständig, kreativ und offenbar weniger eifersüchtig als ihre Eltern." von Silvio Wirths Seite über das Polyleben.
#10 - Polys haben nur noch nicht „den/die Richtige“ gefunden.
Wir werden von dem Ideal geprägt, dass es den einen Menschen für uns gibt. Sobald wir den gefunden haben, ist alles einfach und die Beziehung ist perfekt.
Beziehungen und Menschen sind aber nicht perfekt. Für gute Beziehungen stecken wir Zeit, Energie und Aufmerksamkeit rein.
Was eine gute Beziehung für dich ausmacht, kannst nur du herausfinden. Und ob das mit einer, zwei oder drei Personen ist, kannst du vorher nicht unbedingt wissen.
Alle Antworten sind von mir persönlich (außer #9). Ich bin natürlich nicht repräsentativ für die Poly Community, kann aber einen Eindruck geben.
Andere Menschen, die nicht-monogam leben, werden die Fragen vielleicht ganz anders beantworten.
Ich lebe in einem sehr offenen, liebevollem Umfeld und muss mich nicht zu sehr mit Vorurteilen auseinandersetzten. Meistens erlebe ich Interesse. Mir und anderen werden viele Fragen gestellt.
Ich habe schon einige Gespräche erlebt, in denen danach mein*e Gesprächpartner*in ein ganz neues Bild von Polyamory hatte oder z.B. sagt, das ist ja wie bei mir (in einer monogamen Beziehungen 😉 ).
Ich habe schon ziemlich früh gemerkt, dass ich mir eine andere Beziehungsform vorstellen könnte, als die meisten um mich herum.
Und doch war es weit weit weg für mich.
Erst als ich andere Menschen kennen gelernt habe, die ähnliche Vorstellungen haben oder schon Erfahrung mit anderen Beziehungsmodellen, ist das alles für mich erfahrbarer und erlebbarer geworden.
Ich will die Vielfalt unseres Liebesregensbogens feiern!
Egal ob bi, straight, gay, pan, poly, mono, asexual, trans, queer, inter,... es ist gut so!
Du gehörst zum Regenbogen.
Wenn du ein bisschen Glitzer streuen willst, teile gerne den Artikel.
♥
Sorry, Polyamorismus, Veganismus, das sind Auswüchse eines von Narzissmus durchzogenen Wohlstandsmenschen, ein Produkt der Langeweile, mitunter auch Trittbrettfahrerei der übelsten Sorte.
„ICH“ ist das meistgenannte Wort von polyamorös und vegan lebenden Fundamentalisten.
Erklärt mir ruhig den Krieg ihr Trottel. Aber ich finde es einfach nicht problematisch wenn die Eisbären aussterben, die Natur will es so, weil es geschieht..
Das ist bestimmt zu hoch für euch.
Jeder der in seinem Leben schonmal an nem Punkt war wos ums nackte Überleben geht, lacht über solche Regenbogen-Falala-Lifestyles.
Ist meine Meinung, die musste jetzt mal raus
@richi Müller
Sorry, aber den Beitrag kann man schlicht überspringen. Der ist irgendwie subzanzslos, wertlos…
Mehr brauch man dazu nicht sagen.
Ich…ich…will mehr antworten als Philip.
Aber ich wüsste nicht, wo ich anfangen soll.
Er hat wohl recht.
Es ist die Mühe nicht wert.
Einfach auf eine Seite zu gehen, von der man nix versteht, nur um da seinen Hate abzuladen, also wenn etwas narzisstisch ist, dann das, du kleiner Gernegroß…
Billig und feige ist es auch noch.
Der Krieg erklärt hast du. Also steck dir deine Meinung in den ***
@Richi Müller
Lieber Richi, wenn ein Mensch in eine Situation geboren wird, in der es um’s nackte Überleben geht, kann er sich entscheiden, ob er weiterhin ein Leben lang denkt, das Leben sei ein Kampf und sich in alten Glaubensmustern und Groll gefangen hält. Oder ob er beginnt zu verändern… um Frieden, Liebe und Wohlstand für sich und andere zu erzielen. Es beginnt IMMER zuerst in einem Selbst. Erst wenn man die volle Verantwortung für sein eigenes Glück übernommen hat, sich selbst lieben und annehmen kann, nicht mehr sein Umfeld für das eigene Befinden verantwortlich macht, sich nicht mehr benachteiligt fühlt, sich öffnet für die Fülle der Welt, alten Hass loslässt und frei wird… dann… passiert etwas im Herzen. Es platzt fast vor Liebe! Und man will es teilen! Mit vielen Menschen. Polyamorie hin oder her. Es geht um viel mehr als das. Es ist der Wunsch, den Menschen und der Welt in so viel Liebe und Frieden zu begegnen wie man selbst in sich trägt. Von Innen nach Außen. Man möchte sich von alten auferlegten Zwängen befreien und sich ausdehnen. Egoismus (im Sinne vom Selbstliebe und Eigenverantwortung, ohne anderen dabei absichtlich weh zu tun, sie auszubeuten oder sich etwas unrechtmäßig anzueignen) ist möglicherweise der erste Schritt dahin, diesen ewigen zwischenmenschlichen Kampf, den sich die Menschheit selbst auferlegt, zu beenden. Vielleicht brauchten wir einst diesen ‚Krieg‘, um Mitgefühl zu entwickeln und um die Folgen unserer Taten und die Wirkung unserer menschlichen Kraft zu verstehen. Richi, wenn die Natur das Aussterben der Eisbären will, dann will sie möglicherweise auch Menschen, die wieder lernen, sich selbst, andere, die Natur, die Welt, das Universum, die schöpferische Kraft, das Leben zu lieben. Und um so vielleicht doch das Eisbärensterben zu minimieren.
Noch eins. Ich finde es gut, dass du dich mit deinem inneren Wachstum beschäftigst. Sonst würdest du diese Seiten nicht lesen. Und natürlich darf man kritisch sein. Aber schau, welchen Ursprung diese Kritik hat – alter Groll oder Liebe.
Hi 🙂
Danke dir für diesen lieben und langen Kommentar.
Mir haben tatsächlich ein bisschen die Worte gefehlt. Da hat es sehr gut getan deine zu lesen.
Ganz herzlichste und dankbare Grüße
Cosima
#5 …wir können auch mehrere Kinder (gleich) lieben.
Das habe ich so aber auch schon unendlich oft als Argument gehört. 😉
Finde ich ziemlich schräg.
Wir lieben unsere Kinder selbst dann, wenn sie irgendwann am anderen Ende der Welt wohnen und wir sie nur noch 1 Mal im Jahr sehen können.
Wir lieben unsere Kinder selbst dann, wenn sie mega viel Mist bauen oder sogar dann noch, wenn sie uns völlig ablehnen.
Auch lieben wir unsere Kinder ein Leben lang. Warum schaffen wir es eigentlich da? 😉
Beim Partner spielt so viel mehr eine Rolle. Es gehört so viel mehr dazu. Begehren, Intimität, mehr Offenheit, … zum Beispiel. Die Liebe zum Partner ist auf einer ganz anderen Art einzigartig. (einzigartig nicht im Sinne von auf nur einer Person bezogen, sondern im Sinne von unterschiedlichen Formen von Liebe zu Kindern/zu Eltern/zu Geschwistern/zu Freunden/…)
Der Unterschied in Sachen Liebe ist so groß für mich, dass ich ehrlich gesagt nicht verstehe warum man das als Argument entgegnet.
Das Vorurteil #5 ist mMn demnach falsch interpretiert und somit unzufrieden beantwortet. Oder auch nicht!?
Denn womöglich wird die Liebe ja tatsächlich nicht viel höher empfunden als all die anderen Formen von Liebe – oder jedenfalls nicht sehr höher. Dafür würde auch sprechen, dass man die Logik auf „egal in welcher Form lieben“ herunterbricht. Warum sieht man das so?
Was meiner Erfahrung nach (!) auch dafür sprechen würde: dass Poly-Leute doch häufiger Beziehungen beenden und neue eingehen.
Hi Flo,
entschuldige meine späte Antwort. Der Kommentar war erst in den Spam Filter gerutscht.
Was ich mit #5 zeigen möchte: Liebe ist nichts was weniger wird (/werden muss), wenn man mehrer Menschen liebt.
Der Vergleich mit Kindern soll das analog veranschaulichen. Nur weil du 2 Kinder hast, liebst du beide davon nicht weniger als wenn du nur ein Kind hättest. Ressourcen wie Zeit, Aufmerksamkeit und Energie sind natürlich endlich und lassen sich nicht auf beliebig viele Menschen aufteilen.
Meiner Erfahrung nach, halten viele feste Polbybezieung sehr lange. Dadurch, dass man auch noch andere Beziehungen haben kann und Menschen (vielleicht) offener begegnen kann, können auch mehr Beziehungen entstehen, man kann mal sehen was passiert ohne dass es den Druck gibt, das muss jetzt die eine große Liebe sein. Ich könnte mir vorstellen, dass es deswegen auch neben festen Beziehungen auch mehr Wechsel geben kann. Was aber natürlich auch nicht bei allen so ist 🙂
Liebe Grüße
Cosima
Na das habe ich schon ganz genau so verstanden. Kenne ich auch genau so an die 100 mal jetzt schon. 😉
Und seltsammer Weise benutzt du genau die selben Schlüsselwörter. Ressourcen, Zeit, Energie, aufteilen, nicht weniger, … .
Nun, ich kann auch 12 Kinder haben und liebe sie alle gleich und keines davon weniger. Obwohl da für jedes Einzelne kaum Ressourcen wie Zeit, Aufmerksamkeit und Energie übrig bleiben. Ich kann sogar 20 Kinder haben und liebe immernoch alle gleich viel. Ressourcen spielen da einfach GAR keine Rolle. Ich kann auch nur 1 Kind haben, dass mir nach der Geburt weggenommen wurde. Ich liebe es selbst 40 Jahre später immer noch. Ja! Liebe wird nicht weniger!
Mit Freunden ist das schon etwas anderes. Wenn ich mit ihnen keine Ressourcen teile, dann sind das auf Dauer keine echten Freunde. So unterscheiden sich dann auch Freunde von guten Bekannten und von echten Freunden und nochmal von aller bester Freund(in).
Ich behaupte mal man kann nicht 12+ aller beste Freunde haben und selbst 20+ gute Freunde würde ich als solche schon nicht mehr definieren. Jedoch verschwimmen da auch die Grenzen.
Der Unterschied ist Elterschaft vs Freundschaft vs Partnerschaft.
Eine Partnerschaft ist ohne verbrauchter Ressourcen ja keine gelebte Partnerschaft.
Unter gewissen Umständen halte ich es durchaus für möglich, dass man es schaffen kann genügend Ressourcen für 2 Partner gleichzeitig über zu haben (neben die für Freunde und Kinder). (Dazu wäre es hilfreich, wenn diese Partner da sehr flexibele Bedürfnisse haben.)
Wenn aber generell IMMER neben einer bestehenden Partnerschaft noch genug Ressourcen für weitere Partnerschaften übrig sind und gleichzeitig und vorallem auch das Bedürfnis besteht nach einer oder mehren Partnerschaften, dann sollte man mal das eigene Verständnis von Partnerschaft in Frage stellen.
Wenn ich nach 5 Jahren Beziehung zum Partner plötzlich Bedürfnisse und Ressourcen frei habe für andere Partner und irgendwas treibt mich dazu auch noch an etwas Neues zu suchen, dann fehlt doch offensichtlich etwas in der Partnerschaft.
Jetzt kann man sich als völlig offen und frei von alten Normen ansehen und jeder sucht zusätzlich etwas Neues. Oder man sucht innerhalb der Partnerschaft die Bedürfnisse zu stillen. Stichwort Beziehungsarbeit.
Habe ich diese Bedürfnisse schon nach 3 Monaten Beziehung oder gar von Anfang an generell und immer, dann stellt sich mir schon das Vorurteil(!): #5 Liebst du vielleicht nicht wirklich? Bzw. glaubst du nur zu lieben? Oder liebst du durchaus, aber empfindest dabei weit weniger emotionaler Tiefe und Zuneigung zu dem einen Partner als es andere tun?
Das Vorurteil #5 beschäftigt mich echt sehr. 🙂
Deine Antwort darauf kann ich wirklich schwer einordnen. Für mich am ehersten würde noch passen, dass du einfach ein anderes Gefühl von Intensivität von Liebe zu einem Partner empfindest und pflegst. Und du es weniger intensiv fühlst als ich es fühle. Und das als normal ansiehst! Was ja auch normal sein kann.
Wenn ich eine Partnerin habe, und dass hast du bestimmt öfter schon gehört, dann möchte ich mit ihr am Anfang ALLE meine Ressourcen teilen und später immernoch die wichtigsten Ressourcen . Also selbst nach 5…10 Jahren möchte ich mit ihr meine Ressourcen teilen mit ihr zusammen Neues kennenlernen.
Mein Schwiegervater (66) ist heute noch genauso aufgeregt wie vor 40 Jahren sie, seine Freau, nach 2 Tagen Trennung wiederzusehen wie damals nach 1…2 Monaten Beziehung.
Hi Florian,
ich verstehe auf jeden Fall, was du meinst und ich gebe dir Recht, dass wenn man 20 Kinder hat, da wenig Zeit und Energie für jedes einzelne übrig bleibt. Doch wir sprechen ja auch nicht von 20 Partner*innen, sondern meist von 2 oder 3.
Das sprichst du ja auch weiter in deinem Kommentar an. Für uns ist Zeitmanagement auf jeden Fall ein wichtiges Thema.
Ich persönlich habe das Gefühl, dass meine Bedürfnisse gut abgedeckt sind, weil ich sie auf verschiedene Menschen verteilen kann. Ich sehe meine festen Freunde nicht jeden Tag, kann aber dafür unterschiedliche Dinge mit ihnen machen. Ich kenne andere (monogame) Paare, die sich weniger oft sehen als wir. Ich denke da spielen noch viele andere Faktoren mit rein, wie Beruf, Kinder, Wohnort, Hobbies und genereller Wunsch danach, wie viel Zeit man miteinander und für sich alleine möchte.
Intimität und Intensität einer Beziehung macht sich für mich nicht daran fest, dass ich jede mögliche Zeit mir ihr verbringe. Und ja, da habe wir vielleicht einfach ein unterschiedliches Verständnis und Bedürfnis an Partnerschaft. Und trotzdem sind meine Partner, die Personen mit denen ich am meisten Zeit verbringe. Das heißt aber nicht, dass dein oder mein Verständnis von Partnerschaft schlechter oder besser ist, es ist einfach nur anders! Und ja, ich liebe meine beiden festen Freunde wirklich und für mich ist es sehr intensiv. Aber vielleicht erleben wir Intensität auch anders. Das kann gut sein 🙂
„Wenn ich nach 5 Jahren Beziehung zum Partner plötzlich Bedürfnisse und Ressourcen frei habe für andere Partner und irgendwas treibt mich dazu auch noch an etwas Neues zu suchen, dann fehlt doch offensichtlich etwas in der Partnerschaft.“ – Ich glaube nicht, dass es so sein muss. In manchen Fällen ist das vielleicht so, aber manchmal lern man jemand neues kennen und findet diese Person interessiert und anziehend und möchte sie näher kennen lernen. Das heißt nicht automatisch, dass die jetzige Beziehung nicht gut läuft oder etwas fehlt.
Und wie du von deinem Schwiegervater erzählt, es gibt auch Menschen für die ist Monogamie genau das Richtige. Und auch das ist wunderschön und gut so.
Meiner Erfahrung nach ist Beziehungsarbeit ein sehr wichtiges Thema bei polyamoren Beziehungen. Gerade weil man den konventionelle Rahmen verlässt, braucht es oft noch mehr Kommunikation und Tools für Umgang mit neuen Situationen, Partnern,Gefühlen etc.
Was ich bei dir raus höre, ist, dass du dir wünscht oder denkst, dass eine Person alle Bedürfnisse erfüllen kann, wenn man nur hart genug dafür arbeitet in der Beziehung. Ich stimme dir zu, dass Beziehungsarbeit Beziehungen besser und erfüllender macht, aber in manchen Dingen passt man vielleicht einfach nicht zusammen und das heißt aber nicht, dass die ganze Beziehung schlecht ist.
Ich hoffe ich konnte dir noch einen etwas besser Einblick geben. Falls nicht, frag gerne nochmal nach 🙂
Liebe Grüße
Cosima
@nancy
Danke für diese schöne Antwort und den Glauben an die unendliche Liebe
Dario
Eine aufschlußreiche Diskussion! Es ist möglich, mehrere Personen auf gleiche oder verschiedene Weise zu lieben; das ist offensichtlich. Die Liebe zu mehreren Partnern kann auch je nach beteiligten Subjekten und Objekten unterschiedlich ausfallen; immer aber funktioniert sie anders als die Liebe zu mehreren Kindern, weil die Eltern-Kind-Bindung eine völlig andere Qualität als die partnerschaftliche Bindung hat. Der Vergleich drängt sich zwar auf, scheitert aber am unterschiedlichen Zustandekommen der Bindungen. Kinder bringen in ihr Bindungsverhalten die primäre Vertrautheit ein (auch gegenüber Geschwistern), Eltern im Gegenzug die tertiäre Vertrautheit. Beide schließen die Möglichkeit einer sexuellen Bindung aus, wie die Ethologie (biologische Verhaltensforschung) herausgefunden hat. Partner hingegen bringen die sekundäre Vertrautheit (Kennenlernen frühestens in der Pubertät) ein, die auch sexuelle Bindungen (aber nicht nur!) ermöglicht.
Die Ausprägung mehrerer sexueller Bindungen kann an Eifersucht scheitern, muß es aber nicht. Das liegt daran, daß wir Menschen Kulturwesen sind. Sexualität dient keineswegs nur der Fortpflanzung der Gene, sondern hat soziale und emotionale Seiten. Der Mensch hat die Fähigkeit zur Ausbildung langfristiger, gar lebenslanger Bindungen und einer Liebeskultur, die weitaus komplexer und „geistiger“ als alles Sexuelle ist. In die Gestaltung der Liebesbeziehungen spielen außer sexuellen Bedürfnissen viele weitere Motive hinein, und diese sind von Persönlichkeit, historischem Kontext und kulturellen Traditionen abhängig.
Heute leben wir in einer liberalen, postmodernen Gesellschaft, in der es auch zu ethischen Orientierungsproblemen kommt. Die Liebe zu mehreren Personen funktioniert genau wie die Monogamie dann, wenn sie in ethisch verantwortungsvoller Weise gelebt wird. Insofern lassen sich polyamoröse Beziehungsmodelle – im Gegensatz zu Lebensformen, die ethisch wahllos einem „Sexualtrieb“ und nichts anderem folgen – als im besten Sinne wertkonservativ einordnen.
In unserer modernen Gesellschaft, die uns Menschen nicht mehr mit alten, unsinnigen Sexualverboten traktiert und die andererseits alle möglichen Formen der Sexualität kommerzialisiert, sollte niemand ausgerechnet mit in gegenseitiger Liebe und Respekt gegründeten Beziehungen hinter dem Berg halten!