Was wolltest du schon immer über Sex wissen? – Interview mit einer Sexualtherapeutin  Part II

Was wolltest du schon immer über Sex wissen? – Interview mit einer Sexualtherapeutin Part II

 

„Das ist das Tabu der heutigen Zeit: keinen Sex zu haben.“

Letze Woche wurden schon acht Fragen zum Thema Sexualität von Gerlinde Harth beantwortet.
Sie ist Sexualtherapeutin in Würzburg und ich durfte ihr einige Fragen stellen.

Wenn du den ersten Teil noch nicht gelesen hast, dann kannst du das hier machen.
Weiter geht’s mit den nächsten zehn Fragen:

 

Die Gesellschaft polarisiert bei den Themen Sexualität, Beziehung und Liebe sehr zwischen den Geschlechtern. Welche Unterschiede gibt es da wirklich?
Zum Beispiel beim Trennen von romantischen Gefühl &Sex.

Das ist ein weites Feld und die Meinungen gehen oft weit auseinander.
Untersuchungen aus Studien haben ergeben, dass es kaum Unterschiede gibt zwischen Männern und Frauen gibt, beim Trennen von romantischen Gefühlen und Sex. Wir haben so eine Bandbreite an unterschiedlichen Menschen, da gibt weniger Unterschiede zwischen den Geschlechtern, als uns die Gesellschaft oft glauben machen will.
Das wäre jetzt auch mein subjektiver Eindruck.

 

Ich erlebe oft, dass „Sex“ (Penetration) das Ziel, einer Begegnung, darstellt. Das empfinde ich manchmal als belastend und habe dann auf gar nichts mehr Lust.
Wieso sind wir so zielorientiert und wie können wir da auch andere Wege gehen?

Grundsätzlich erlebe ich dieses Ziel als nicht problematisch für viele. Meistens wünschen sich beide, dass am Ende eine innige und angenehme Penetration möglich ist, weil es eine noch tiefere Verschmelzung der Körper und der Seele bedeutet.
Allerdings kommt es zu Problemen, wenn ein Muss dahintersteht, genauso, wenn man einen Orgasmus(s) haben muss. Liebe und Sexualität sind Kinder der Freiheit.
Manchmal verhänge ich (mit Augenzwinkern) für Paare ein „Koitus-Verbot“. Alles andere ist aber erlaubt. Daraus entsteht oft eine neue Aufregung und Spannung, wieder zu entdecken, was sonst alles möglich ist und Spaß machen kann.

 

Wenn ich jemanden wirklich toll finde, charakterlich, vom Aussehen und dann passt es aber im Bett einfach nicht zusammen. Wie geht man mit dem Moment um, wenn die Magic auf einmal weg ist, beim ersten Kuss oder Körperkontakt. Macht es Sinn sich da gemeinsam anzunähern oder es einfach sein zu lassen?

Ich glaube es gibt schon ein gewisses Maß an Kompatibilität, sozusagen „für einander geschaffen sein“. Neben dem Aussehen oder dem Charakter gibt es auch noch Dinge, die uns anziehen. Wir verstehen noch nicht gänzlich, wie verschiedene Hormone oder Pheromone wirken und uns beeinflussen, wenn wir anziehend finden oder nicht. Wenn die Magie beim erstes Kuss oder weiteren Berührungen weg ist, dann glaube ich nicht, dass die später auf einmal kommt. Aber, wenn man sich trotzdem gut versteht, kann daraus ja eine schöne Freundschaft werden.

 

Wenn jemand eine Grenze überschreitet, wie spreche ich das am besten an?

Wichtig ist zu betonen, dass du das Verhalten und nicht die Person missbilligst.
Man kann z.B. sagen: „Ich möchte dir etwas sagen, dass mich beschäftigt, möchte aber betonen, dass es um dein Verhalten geht und nicht um dich als Person.“

 

Wie kann man jemandem auch ohne dem laut Stöhnen die nötige Sicherheit vermitteln, dass er gut im Sex ist? Einer Freundin von mir wurde gesagt sie sei zu leise. Sie hat aber trotzdem ihren Spaß, aber Männer, die sie nicht gut kennen sind dann verunsichert.

Nicht nur mit lautem Stöhnen kann man jemanden zeigen, dass es Spaß macht. Wenn man als Person präsent ist, Augenkontakt hat, mit einander spricht, auch mal lacht, dann merkt man eigentlich, ob die andere Person genießen kann. Auch da ist Kommunikation wichtig. Verbal, aber auch mit dem ganzen Körper.

 

Viele Frauen hatten noch nie einen Orgasmus und glauben das sie es einfach nicht können. Kann man es trainieren einen Orgasmus zu haben?

Tatsächlich ist es so, dass einige Frauen noch nie einen Orgasmus hatten. Doch normalerweise rein anatomisch kann jede Frau einen Orgasmus haben, wegen der Existenz der Klitoris. Psychologisch kommen da aber noch weitere Aspekte dazu. Wenn das „nicht haben eines Orgasmus“ nicht thematisiert wird, zieht sich das meistens über Jahre.

Trainieren kann man das vor allem durch Selbstbefriedigung und den eigenen Körper kennen lernen. Manchmal hängt es auch damit zusammen, dass sich eine Frau nicht fallen lassen kann durch Gewalterfahrung oder Missbrauch oder Angst vor dem Kontrollverlust hat, in dem Moment der Ekstase eines Orgasmus.
Hier kann man langsam daran arbeiten, sich selbst zu trauen, die Kontrolle abzugehen und sich verletzlich zu zeigen.

Wenn ich etwas Neues ausprobieren möchte? – Wie taste ich mich am besten ran?

Am besten erstmal den Partner fragen: Gibt es etwas, was du gerne ausprobieren möchtest?
Außerdem sollte man sich überlegen, welche Gründe dahinter stecken, etwas neues auszuprobieren. Macht man es, weil jemand anders davon vor geschwärmt hat und man das Gefühl hat, mithalten zu müssen oder fragt man, weil man wirklich einen Wunsch hat und neugierig ist. Wenn man weiß, warum man etwas ausprobieren will, ist es einfacher, das dem Partner zu kommunizieren.

 

Wie kann ich meinen Partner eröffnen,
dass ich eine offene Beziehung möchte oder polyamor bin?

Wenn das während der Beziehung aufkommt, kann man betonen, dass es auch für einen selbst ein Experiment ist. Wichtig ist offen zu besprechen, was man in der anderen Beziehung bekommt, was man vielleicht vermisst und versuchen, den Partner mit einzubinden in den Prozess. Es geht ja darum, gemeinsam etwas auszuprobieren.
Falls du das schon vorher weißt, am besten so früh, wie möglich mit offenen Karten spielen und vielleicht von bisherigen positiven Erfahrungen erzählen.

→ Hier findest du einen Blogposts über Polyamorie

 

Kannst du uns noch eine Übung erklären, die man gemeinsam oder alleine ausprobieren kann?

Ja gerne. Das ISS – ideales sexuelles Szenario.
Das mache ich mit vielen Paaren.
Jeder soll sein ISS aufschreiben. Wenn er ganz frei wäre und nur die eigenen Wünsche und Fantasien beachten soll, was würde dabei rauskommen. Jeder ist auch ganz frei, wie ausführlich oder in welcher Form er das aufschreibt.
Danach setzt man sich zusammen und entscheidet, was damit passiert.
Nur einer zeigt, oder liest vor, oder man liest es gegenseitig laut oder leise.
Oder es wird nicht offenbart und bleibt ein Geheimnis. Aber auch dadurch kann sich eine Dynamik verändert, z.B. das der Partner neugieriger wird.
Da gibt es verschiedene Möglichkeiten.

Willst du sonst noch etwas mit uns teilen?

Sexualität ist eine tolle Methode sich selbst lebenslang kennen zu lernen. Es ist ein Spiegel für uns. So lange der Mensch lebt, ist er ein sexuelles Wesen.
Wir entwickeln uns immer weiter und Sexualität kann etwas Tolles sein, dass uns viel über uns selbst zeigt.

 

 

Danke dir, Gerlinde, dass du dir Zeit genommen hast für das Interview.

Hier gehts zum ersten Teil.

 

Hast du dir schon das Video zu den „Five S of Sexuality“ angeschaut?
Trag dich hier in den Glücksletter ein und schau es dir an.

 

 

Gerne kannst du Kontakt mit Gerlinde aufnehmen:
Telefonnummer: 0172/6425555.
Oder du kannst bei der Praxis vorbei schauen:
Oeggstraße 3, 1 Stock
97070 Würzburg

 

Love,
Cosima

 

*  alle Formen von Personen, sind auf alle Geschlechter bezogen

 

 

Sexuelle Selbstbestimmung für mehr Magie – Nicht mehr zwischen Schlampe und Mauerblümchen

Sexuelle Selbstbestimmung für mehr Magie – Nicht mehr zwischen Schlampe und Mauerblümchen

 Sexuelle Selbstbestimmung

 

Nein heißt Nein. Darüber müssen wir nicht reden.

Doch es sollte mehr Dialog geben über sexuelle Selbstbestimmung, wenn sich zwei (oder mehr) Menschen annähern wollen.

 

Denn vielleicht heißt es ‚Nein, ich will nicht mit dir schlafen. Aber ja, ich will dich küssen.‘

Wo ist der Raum zum Entdecken?

Knutschen führt zu Fummeln.
Fummeln führt zu Ausziehen.
Ausziehen führt zu Sex.

Schön, dass es NICHT so ist und nicht so sein muss.

Diese Erwartung zerstört die Reise. Die magische Reise, wenn sich Menschen körperlich annähern.

Ich möchte hier nicht über Situationen sprechen, wo Grenzen klar überschritten werden.

Das ist in keinem Fall schön oder recht zu fertigen.

 

Ich wünsche mir, dass jeder Mensch seine Grenzen selbst klar machen kann und dass das in jeder Situation urteilsfrei akzeptiert wird.

 

Über Sexuelle Selbstbestimmung  sollte sich jeder Gedanken machen. Und zwar nicht erst dann, wenn in den Medien darüber berichtet wird.

Ich möchte über sexuelle Selbstbestimmung sprechen in einem Kontext des Ausprobierens und Entdecken der eigenen Sexualität.

 

Was ist wichtig dafür? 

– Einen Raum, in dem alle wissen, es darf alles geäußert werden.
– Ehrlichkeit und Mut deine eigenen Wünsche und Grenzen zu akzeptieren.
– Langsamkeit, um in jedem Moment fühlen zu können, wie es dir geht.
– Eine Verbindung zu dir und deinem Körper.
– Das Loslassen von Bildern und Idealen, wie Sex funktionieren sollte und wie ein schöner
Körper aussieht.

 

Wie oft hab ich mich wieder gefunden in dem inneren Konflikt,

dass ich selbst nicht wusste, was ich will.

Und wenn ich es wusste, dann konnte ich es nicht äußern.

Ich bin ein selbstbewusstes Mädchen und doch prasseln, während ich eigentlich

genießen will, alle möglichen Gedanken und Szenarien auf mich nieder.

 

 

Wenn alles zu schnell geht, bin ich eine Schlampe. Wenn ich aber langsam mache, ein

Mauerblümchen. Wenn ich mich nicht traue, denkt mein Gegenüber vielleicht ich bin

prüde. Wenn ich nur Spaß haben will, aber keine Beziehung, bin ich dann leicht zu haben?

So viele Gedanken, Verurteilungen, Schuld und doch der Drang, dazu, mich auszuprobieren.

 

 

Die eigentliche Frage, die du dir immer stellen solltest: Wie fühlt es sich an?

 

Wie viele Geschichten kenne ich von Freund/innen, dass sie etwas getan oder nicht getan

haben, weil sie glauben, dass „man das eben so macht.“ Alles geht schnell und läuft nach

einem Schema ab. Es bleibt keine Zeit und Raum, um wirklich zu fühlen, was schön ist.

 

Wir lieben mit Erwartung. 

Davor hab ich Angst, weil der Raum für Grenzen nicht mehr gegeben ist. 

 

Geht dabei nicht unglaublich viel verloren?

Stell dir vor du gehst auf eine Entdeckungsreise. Du weißt allerdings schon wo du am Ende ankommen wirst. Du bist so fokussiert auf das Ziel, dass du all die wunderbaren Begegnungen und Ereignisse auf dem Weg nicht mehr wahrnimmst. Du hättest Umwege gehen können und noch mehr entdecken. Doch du stiefelst nur schnurstracks auf das Ziel hin.
Es lohnt sich vermutlich immer noch, wenn das ein schöner Ort ist.
Doch wie wundervoll kann der Weg sein, wenn du langsam bist, wenn du wahrnimmst und alle Sinne offen sind, für das was passiert. 

 

Das Gleiche gilt für die magische Reise, sich gegenseitig anzunähern.

Es wundert mich nicht, dass unser Bild von körperlicher Nähe so sexualisiert ist.

Wir werden tagtäglich bombardiert mit „schönen“, „sexy“ Körpern.

Den großen Teil von Aufklärung übernehmen amerikanischen Teenie-Filme.

Das gibt es in unserer Gesellschaft. Ich merke, dass Menschen eine Unstimmigkeit in sich

entdecken, wenn sie sich nicht wohlfühlen mit den allgemeinen Vorstellungen

wie, wann und wo wir Sex haben sollten.

 

Doch wie kann es anders gehen?

 

Eine Übung fürs Fühlen.

Allein, zu Zweit oder mehr.

Verbindet eure Augen. Stellt euch ein wenig auseinander im Raum.
Atmet ruhig und tief. Fühlt in euren Körper hinein. Wie geht es euch, was spürt ihr?
Wenn ihr euch mit euch selbst verbunden fühlt, findet euch im Raum und kommt euch langsam näher.
Entdeckt eure ganzen Körper. Langsam. Seit sanft und neugierig.
Wie fühlt es sich an, wie riecht der andere, wie schmeckt der andere?
Seid liebevoll.

Fühlt euch selbst und die andere(n) Person(en).

 

Magic_of_love sexuelle Selbstbestimmung üben mehr sexuelle selbstbestimmung

Magic_of_love3

 

Sexuelle Selbstbestimmung heißt meine Grenzen und die aller involvierten Personen zu wahren.

Jederzeit und nicht erst dann, wenn es unangenehm wird.

Einen Raum schaffen, in dem klar ist: Ich darf alle Grenzen und Wünsche äußern.

Ich will nicht erst einen inneren Dialog führen, bei dem ich mich selbst überrede, zusagen,

was ich will. Ich wünschte selbst, es würde sich so einfach anfühle, wie es ausgesprochen ist.

Katzen tun nicht lange rum. Sie schnurren, wenn es ihnen gefällt und sie fauchen, wenn sie etwas nicht mögen. Und wollen wir nicht alle eine schnurrende Katze sein?

 

Doch ich finde mich in der Angst wieder, verurteilt zu werden, Ablehnung zu erfahren oder die andere Person zu verletzten.

 

Doch ist es nicht viel verletzender, nicht aufrichtig mit meinem Gegenüber zu sein?

Stell dir vor, dein/e Partner/in verschweigt dir, was er/sie will oder nicht will?

Würdest du dir wünschen, dass er oder sie es dir sagt?

Ich weiß trotzdem und erlebe auch bei mir selbst immer wieder, dass es Übung braucht.

Selbstsicher mit meinen Wünschen und Grenzen umzugehen.

Gleichzeitig, weiß ich wie wichtig es ist.

 

Wie kannst du deiner sexuellen Selbstbestimmung näher kommen ?

 

Höre auf deinen Körper.

Du hast eine Verbindung zu deinem Körper. Je mehr du diese Verbindung nutzt um

wirklich zu Fühlen, was gerade passiert, desto leichter wird es dir fallen, zu spüren,

was du willst und was nicht.

 

Rede mit anderen Menschen darüber.

Es ist wichtig über deine Wünsche und Grenzen zu sprechen, genauso wie deine Ängste, vielleicht dafür verurteilt zu werden.
Bevor du es mit deinem Partner/in tust, kannst du dich jemand anderen anvertrauen. Sprich es laut vor dir selbst aus.
Wenn es sich komisch oder ungewohnt anfühlt, habe ein wenige Geduld. Du wirst merken, dass du immer sicherer darin werden wirst über deine Wünsche, Grenzen und deinen Körper zu sprechen.

 

Sei langsam.

Dann kannst du spüren, was passiert und was sich verändert.
Was sich gerade vielleicht noch gut angefühlt hat, kann im nächsten Moment schon anders sein. Und das ist vollkommen in Ordnung.

 

Während meines Tantra Retreats bei ‚magic of love‘ haben wir über das Körper-Gedächtnis gesprochen.
Wenn unsere Grenzen überschritten werden, merkt sich unser Körper das. Wir spüren Schmerzen, Blockaden, können schwer Atmen, wenn wir an den Stellen erneut berührt werden.
Das heißt nicht, dass wir dort nie wieder Liebe erfahren können.
Genau das Gegenteil:
Eben diese Blockaden können wir nur lösen, indem wir sie annehmen. Ohne Scham, Schuld und Verurteilung gegen uns oder andere Personen.
Langsam kannst du dich annähern, was sich gut anfühlt für dich.
Sprich offen darüber, was du fühlst.

 

Vertrau dir selbst.

Nur du kannst fühlen, was in dir los ist. Alles was du fühlst ist ok.
Dein Körper ist wertvoll und er will dir zeigen, was ihm gefällt und was nicht.
Das kannst du wertschätzen und wahren, in dem du auf ihn hörst und dir vertraust.

 

Manchmal hab ich das Gefühl wir glauben, es gibt einen Weg Sex zu haben und wie bei fast

allem das eine Ideal, wie es zusammen funktioniert. Das ist Blödsinn.

Jeder Körper, jede Situation, jede Kombination an Menschen ist anders, fühlt sich anders an und will entdeckt werden.

Deswegen trau dich über deine Erfahrungen, deine Wünsche und deine Grenzen zu sprechen.

Denn auch Grenzen sind nicht beständig. Sie können sich jederzeit ändern und das ist in Ordnung.

 

Erwartungen haben keinen Platz, wenn es um Liebe, Magie und sexuelle Selbstbestimmung geht.

 

Wie fühlst du in deinen Körper hinein? Was für Erfahrungen hast du mit dem Thema gemacht?

Ich freue mich auf deinen Kommentar. 

Wenn du das Thema auch wichtig findest, teile gerne den Beitrag.

Cosima

 

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Fotos by Cosima Siegling & magic of love